BundesratStenographisches Protokoll823. Sitzung / Seite 220

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Sogar Bertolt Brecht hat dem Thema ein bedeutendes Werk gewidmet, „Der kauka­sische Kreidekreis“. Die Moral aus dieser Geschichte, aus dem kaukasischen Kreide­kreis, ist: Nicht der leiblichen Mutter wird das Kind überantwortet, sondern der Mutter, der Frau, die sich eine gute Beziehung zum Kind erarbeitet hat. Das ist eine Entschei­dung, eine menschliche Entscheidung, die wir, glaube ich, alle respektieren, die uns auch alle, sage ich einmal, parteiübergreifend, überzeugt und auch anspricht.

Nichts anderes tun wir: Wir ermöglichen heute eingetragenen Lebenspartnerschaften die Stiefkindadoption. Frau Kollegin Michalke, wir stehen nicht vor der Fremdkindadop­tion, die Sie immer ansprechen. Der Ehe bleibt weiterhin die Fremdkindadoption vorbe­halten, heute ermöglichen wir Eingetragenen Partnerschaften die Stiefkindadoption. Das geht zurück auf ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes. Dieser Empfehlung und diesem Urteil folgen wir.

Ebenso verlassen wir uns darauf, dass die Gerichte in Österreich auch künftig salomo­nische Urteile fällen werden, denn es wird das Gericht entscheiden, welcher eingetra­genen Lebenspartnerschaft eine Stiefkindadoption ermöglicht wird. Und dass unsere Gerichte das Kindeswohl ernst nehmen und auch couragiert wahrnehmen, darauf ver­lassen wir uns als ÖVP. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Mag. Schreyer.)

20.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


20.13.25

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Warum steht diese Gesetzes­änderung heute auf der Tagesordnung? – Nein, leider nicht deswegen, weil uns die Menschenrechte wichtig sind. Nein, leider auch nicht deswegen, weil wir ganz offen gegen Diskriminierung eintreten. Ja, deswegen, weil Österreich verurteilt wurde. Im Fe­bruar 2013 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eindeutig gesagt, dass unsere Gesetzeslage menschenrechtswidrig ist. Es muss möglich sein, dass gleichgeschlechtliche Partner/Partnerinnen ein leibliches Kind des anderen Partners adoptieren können. Das ist die Ausgangssituation, eine ganz sachliche Ausgangssitua­tion.

Es ist leider für Österreich sehr beschämend – ich empfinde es so –, dass es erst eine Verurteilung gebraucht hat, damit wir einen kleinen Schritt in die richtige Richtung ge­hen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Ich habe gesagt, meine Meinung. Das habe ich gesagt, laut und deutlich, auch fürs Protokoll hoffentlich verständlich.

Ich möchte, dass wir offen gegen Diskriminierung eintreten. Es ist leider nicht die erste Verurteilung, die wir erhalten haben, es ist nicht die erste Reparatur, die wir in diesem Bereich vornehmen müssen. Es hat die Bindestrich-Diskussion gegeben. Es durften Menschen, die sich verpartnert haben, beim Doppelnamen keinen Bindestrich verwen­den, um dadurch schon einmal einen Makel auszusprechen. Bei einer Verpartnerung durfte kein Jawort gegeben werden, was wiederum eine Diskriminierung bedeutete. Es gäbe noch mehrere dieser Dinge. Ich denke, wir als Österreichinnen und Österreicher haben es nicht notwendig, Diskriminierungen, noch dazu öffentlich, mit einem Makel zu versehen. Das ist nicht notwendig. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Leider diskriminieren wir aber weiter. Wer sagt uns, was Familie ist? Wer bestimmt, was Familie ist? Vater, Mutter, Kind, ein Hund, ein Haus, ein Hof, und am Samstag geht die Frau hinaus und kehrt die Gasse? Ist das die Familie in Österreich? Wenn es das in manchen Köpfen noch gibt, so kann ich Ihnen sagen: Gehen Sie ins Leben, das ist nicht mehr Realität! Unsere Lebensformen, die die Menschen wählen, die sie leben, die Realität sind, sind ganz andere, sind vielfältig, sind bunt. Und es ist gut so, und es


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