Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 80

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Kunstverständnis darin sehen, Kunst einzig und allein anzuerkennen, wenn sie provokant und tabuverletzend ist. – Ich glaube, es wurden ohnedies schon sehr viele – wenn auch nicht alle – Tabus verletzt.

Es kann aber doch auch ein Kunstverständnis anderer Art geben. Es muß nicht immer ein narzißtisch überhöhtes Kunstverständnis sein, aber für mich ist Kunst halt etwas, was mich freut oder was mich traurig macht, etwas, das mich zum Weinen bringt oder mich betroffen macht. Kunst muß für mich aber nicht unbedingt etwas sein, was sich in gewissen Niederungen ausdrückt.

Ich will nicht auf die vorjährigen Dinge eingehen, sie interessieren mich gar nicht mehr. Sie sagen aber: Auch im Namen der Kunst müssen alle Tabus verletzt werden, damit ein gesellschaftlicher Fortschritt erzielt wird. – Da frage ich Sie: Gibt es denn nichts, was wir an Tradition behalten wollen? Ich bin nicht gegen allen Fortschritt und gegen alles Neue. Ich bin für alles zu haben. Aber ein bißchen können wir die Tradition doch auch achten, ohne denjenigen, der sich dazu bekennt, sofort bis ins letzte zu mißachten. Das verstehe ich einfach nicht.

Es hat hier niemand davon gesprochen, was wo gefördert wurde. Ich sehe ein, daß den größten Brocken, der selbstverständlich ein Kulturbudget und Förderungen verschlingt, die großen Theater oder etwa die Salzburger Festspiele darstellen. Sie haben hier einiges beantwortet von meiner Frage, warum es eine Erhöhung von 49,11 Millionen Schilling auf 56,15 Millionen Schilling und dazu einen Sonderbauaufwand von 5,6 Millionen Schilling gab. Sie haben den Sonderbauaufwand erklärt. Ich danke Ihnen dafür, ich habe das im Ausschuß zur Kenntnis genommen.

Sie haben mir aber nicht gesagt, warum die Erhöhungen von 1993 auf 1994 so umfangreich waren. Ich glaube, das es sich dabei ein bissel um die Gagen für einige Herren wie etwa für Herrn Mortier und auch möglicherweise Peter Stein handelt, den ich als Regisseur enorm achte.

Ich verstehe jedoch einfach nicht ganz, warum er für die wenigen Worte, die er bei den diversen Schlegel-Tieck-Bearbeitungen von Shakespeare geändert hat, unbedingt 6 Millionen Schilling an Tantiemen bekommen muß. Ich weiß nicht, ob das aus dem Budget oder von anderswo gekommen ist. Das interessiert mich auch nicht so sehr. Ich meine aber, daß, wenn wir alle unseren Säckl enger schnallen müssen und jedem Staatsbürger etwas weggenommen wird, auch die Kunst ein bisserl – eine Spur, nicht viel! – weniger bekommen muß. Wenn wir alle weniger bekommen, dann muß auch die Kunst und die Kultur ein bisserl zur Kasse gebeten werden!

Sie werden mir sicher darauf erwidern, daß das Budget für 1996 ohnedies nicht erhöht wird und damit ein Einfrieren gegeben ist. – Ich hätte noch so viel zu sagen, aber ich habe natürlich keine Zeit, weil ich nicht der Erstredner bin.

Zum Ausgang möchte ich noch etwas sagen. Sie werden sicher alle Ephraim Kishon durchaus als einen Künstler betrachten. Er hat in seinem letzten Buch "Picassos süße Rache" etwas geschrieben, was mir köstlich gefallen hat und was ein bisserl zum heutigen Kunst- und Kulturverständnis paßt. Daher will ich Ihnen das nicht vorenthalten.

Er zitiert zuerst aus dem Nachlaß von Picasso, der gesagt hat: "Alle Wege stehen der intellektuellen Scharlatanerie offen. Ich bin nur ein Clown, der seine Zeit verstanden und alles herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen."

Kishon hat das Problem der modernen Kunst anhand dieser Worte von Picasso wie folgt definiert: "Wenn Picasso gewollt hätte, hätte er wie Giotto oder Tizian malen können, doch er wollte nicht. Das heißt, er wollte nur so lange," – und wenn man die frühen Picasso-Bilder sieht, weiß man, was gemeint ist – "bis er das große Prinzip verstanden hatte, daß die Menschen keine eigene Meinung haben, daß sie das handwerkliche Können nicht mehr schätzen, daß sie vor Anomalien und an den Haaren herbeigezogenen Gimmicks auf die Knie fallen und sich einbilden, sie seien dadurch selbst etwas Besonderes geworden." – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23


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