Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 14. Sitzung / Seite 52

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Ein Satz zum Kollegen Nürnberger, von dem ich meine, daß er ein sehr wichtiger und unverzichtbarer Sozialpartner ist, weil er nämlich eines verstanden hat: daß Sozialpartnerschaft eine Form des Umgangs miteinander ist. Leider hat er heute in seiner Rede etwas überzogen: Es ist nicht gut, sich ans Rednerpult des Hohen Hauses zu stellen und im Ton des Diktators zu sagen: Njet, das wird nicht stattfinden!, und eine liberale Fraktion in der Frage der Flexibilisierung der Arbeitswelt anzugreifen, ohne ihre Position zu kennen.

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt sollten wir einmal in diesem Hohen Haus nach der Frage betrachten: Was ist marktgerecht, was ist kundengerecht, was ist nachfragegerecht? – Das ist der Punkt! Wenn wir Umsätze machen wollen, wenn wir Wertschöpfung brauchen, um hohe Löhne bezahlen zu können, um soziale Sicherheit zu garantieren, müssen wir uns einmal in diesem Haus spätestens jetzt den Kopf darüber zerbrechen: Was an der Arbeitszeit ist marktgerecht, ist kundengerecht?

Der Mitarbeiterschutz ist unverzichtbar – er ist unverzichtbar, weil der Mitarbeiter allgemein der sozial Schwächere ist –, er muß aber auf der innerbetrieblichen Ebene stattfinden. Ich bin gespannt, wann Herr Nürnberger den Vorschlag aufgreift, die Kraft und die Stärke in die Betriebsräte und in die Betriebsvertrauensleute zu legen, die dazu da sind, ihre Mitarbeiter vor Übergriffen des Unternehmers zu schützen, die aber auch die Möglichkeit geben, eine selbstbestimmte Arbeitswelt zu bauen.

Nicht längere Arbeitszeiten sind das Ziel, sondern marktgerechtere Arbeitszeiten! Unser Vorschlag ist schon mehrfach vorgetragen worden: Die maximale Jahresarbeitszeit soll 1 650 Stunden betragen – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein, gar keine Frage –, die Wochenarbeitszeit 32 bis 48 Stunden – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein –, und die maximale Tagesarbeitszeit soll zehn Stunden betragen – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein. Damit gehen keine Überstundenzuschläge verloren, weil die Jahresarbeitszeit die Grenze ist und alles, was darüber hinausgeht, als Überstunden bezahlt wird.

Meine Damen und Herren! Der dritte Fehler, dessen wir uns für die Zukunft bewußt sein sollen, ist das Festhalten am Wohlfahrtsstaat. Der Wohlfahrtsstaat hat die Grenzen seiner Finanzierbarkeit schon lange überschritten. Das soziale Netz ist für uns Liberale der wichtigste Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Jemand, der sozial nicht sicher ist, kann nicht frei sein. Wer nicht frei sein kann, kann nicht kreativ sein, und wer nicht kreativ ist, kann nicht produktiv sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist nur ein Unterschied, ob man das soziale Netz als einen Anspruch für jeden, auch für den Wohlhabenden, begreift – oder ob man das soziale Netz als Hilfe für denjenigen begreift, der sich selbst nicht helfen kann. Die Gießkanne ist da ohne Zweifel keine Lösung.

Der vierte Punkt, meine Damen und Herren – geben Sie es doch endlich einmal zu, auch die Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei; zumindest haben Sie in den letzten Jahren eine Politik in diese Richtung gemacht –: Sie haben ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu Eigenkapital. Es gibt in Österreich keine Eigenkapitalpolitik; es gibt keinen Risikokapitalmarkt. Alle Förderungspolitiken, die Sie ausgerichtet haben, die Sie bei jeder Rede stolz verkünden, sind Fremdkapitalförderungen und damit indirekte Bankenförderungen. Eine wirkliche Eigenkapitalkultur existiert in Österreich nicht. Exportoffensive ist ein Schlagwort, Unternehmensgründung ist ein Schlagwort, wenn das nicht auf der Basis von Risiko- und Eigenkapital funktioniert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Zeit flieht. Eine letzte Bemerkung. – Auch eines haben Sie zugelassen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und von der Sozialdemokratie: Sie haben sehenden Auges zugelassen, Ihre Klientel schützend, wie die sozialen Bedingungen der Wettbewerbswirtschaft und die der geschützten Bereiche täglich weiter auseinandergedriftet sind.

Eine kleine Schnurre am Schluß, die leider Realität ist: Wenn 100 Österreicherinnen und Österreicher, die ASVG-versichert sind, im Jahr zwei Kuren beanspruchen, beanspruchen die öffentlich Bediensteten zehn. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine ist Mißbrauch, oder der Staat


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