Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 207

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

geltend zu machen. Und so scheint es mir vorprogrammiert zu sein, daß die sozial Schwachen allein durch diese Regelung sehr in Nachteil geraten, und zwar in zweifacher Hinsicht. Es sind nämlich die sozial Schwachen, die es sich nicht leisten können, mit Hilfe von Nachhilfestunden vielleicht doch noch die eine oder andere Schulstufe zu schaffen. Und gerade der Nachhilfesektor wurde ein neuer Wirtschaftszweig. Hier haben wir es immerhin mit Umsätzen von 1 Milliarde Schilling zu tun, und 50 000 Repetenten im österreichischen Schulsystem jährlich verursachen nicht nur Kosten in Höhe von rund 5 Milliarden Schilling, sondern das ist auch in hohem Maße mit Schülerleid verbunden.

Allein diese Punkte, der Nachhilfeboom und die Repetentenquoten, sind nur ein deutliches Zeichen dafür, daß mit unserem Schulsystem etwas nicht stimmt. Wir haben eben ein Schulsystem, das viel zu früh selektioniert. Wir haben ein Schulsystem, in dem die Qualität des Unterrichts fraglich sein muß, vor allem dann, wenn man den Begriff "Unterricht" mit Organisieren und Arrangieren von Lernprozessen definiert und nicht mit Belehren und Transferieren der Verarbeitung, des Lernens als solches in die häusliche Arbeit.

Wir haben halt leider auch ein Schulsystem, dessen Form der Leistungsbeurteilung subjektiven Einflüssen geradezu Tür und Tor öffnet. Die jetzt diskutierten neuen Maßnahmen und neuen Mechanismen für das Aufsteigen mit einem Nicht genügend sind ja maximal kleine Veränderungsversuche unter dem Druck dieser Verknüpfungsmaßnahme Familienbeihilfe und Schuldauer und keine Reform im eigentlichen Sinne. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Zu alldem werden jetzt die Eltern auch noch finanziell bestraft, letztendlich für ein nicht funktionierendes Schulsystem bestraft. Ich frage Sie: Was schlagen Sie denn der Alleinerzieherin mit einem Kind in Schulausbildung vor, die die Familienbeihilfe verliert, die die Schulfreifahrt verliert und die auch noch den Kinderabsetzbetrag verliert? Bei etwas mehr Reformfreude und bei etwas mehr Bereitschaft zu echter Strukturreform hätten Sie mit unserem Transfermodell auf jeden Fall soziale Treffsicherheit herstellen können und zusätzlich ein recht bedeutendes Einsparungspotential vorgefunden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Reformunfähigkeit bei diesem Familienlastenausgleichsgesetz zeigt sich besonders deutlich auch im Bereich der Schulbuchaktion. Die Ausschußfeststellung, daß noch im Laufe dieses Jahres ein neues Modell vorgestellt werden wird, beruhigt mich nicht. Schulbuchreformen wurden von seiten der ehemaligen Ministerin Rauch-Kallat und der ehemaligen Ministerin Moser schon angekündigt. Es gab bereits Erstentwürfe, die, wie ich glaube, durchaus sinnvolle Ansätze beinhaltet haben. Die von der Frau Unterrichtsministerin eingesetzte Expertenkommission sollte seit Oktober 1995 und die von Frau Ministerin Moser eingesetzte Expertenkommission sollte seit Mai 1995 an neuen Konzepten arbeiten. Das Ergebnis ist: Es bleibt alles beim alten. Der Autonomiebegriff im Schulbereich wird leider nur strapaziert. Wir bleiben bei diesem System des Selbstbehaltes, das unserer Meinung nach ein unsinniges, aufwendiges und ungeeignetes ist, und zwar sowohl aus ökonomischen als auch aus pädagogischen Gründen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es haben sich eben die Schulbuchverlage durchgesetzt. Man hängt weiter an den, wie ich glaube, bedenklichen Approbationskommissionen. Und man hat sich nicht einmal dazu durchgerungen, im Gesetzestext den Begriff " Schulbuch" zu erweitern, als ob es keine neuen Technologien gäbe, als ob wir in keiner Informationsgesellschaft lebten und als ob es nicht Aufgabe der Schule wäre, die Kinder auf diese Gesellschaft entsprechend vorzubereiten. Wenn diese Regierung und wenn die Regierungsparteien vielleicht Schulbuchverlage in ihrer quasi Monopolstellung subventionieren wollen, Buchhändler subventionieren wollen, so mag das politisch durchaus erwünscht sein. Nur soll man dann auch klar und deutlich dazu stehen und nicht, wie in vielen anderen Bereichen auch, zum Mittel der verdeckten Quersubventionierung greifen.

Meine Damen und Herren! Wir erneuern hier unsere Forderung, die Mittel für Schulbücher, für Unterrichtsbehelfe im weiteren Sinne in die Autonomie der Schulen zu übertragen, weil nur dann


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite