Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 237

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

9.57

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der letzte Satz von Herrn Abgeordneten Mock, der das zentrale Ziel unserer Außen-, aber vor allem Europapolitik klar umrissen hat, ist sicherlich eine gemeinsame Basis für alle Fraktionen. Im übrigen ist es aber so, daß die Europapolitik, die im Zentrum dieser außenpolitischen Debatte steht – das völlig zu Recht – eine höchst kontroversielle Angelegenheit ist, weil die Europäische Union, die Europäische Integration ein zu höchst kontroversieller politischer Prozeß ist, der aber unabwendbar ist und nicht nur im Interesse des ganzen Kontinents und seiner Friedensordnung, sondern auch im Interesse unserer Republik Österreich steht. Und das muß man ganz entschieden an die Spitze dieser Diskussion stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es eine Reihe von Kritikpunkten, die man in diesem Zusammenhang an die Regierung richten muß. Erstens: Dieses schöne Bild der großen Ziele der Europapolitik wird natürlich durch die tagtägliche Praxis gerade zu Beginn dieser Legislaturperiode konterkariert. Man braucht sich zum Beispiel nur diese fortgesetzte Kompetenzranklerei innerhalb der Bundesregierung anzuschauen, die so deutlich macht, daß wir es in der Außenpolitik im Grunde genommen mit zwei Regierungsteilen zu tun haben. Und aus diesem Grund haben wir wieder dieses Kompetenzgerankel erleben müssen, und die Schaffung der Staatssekretariate war sicherlich auch nicht nützlich.

Wir haben zweitens gesehen – und das ist ein ganz gravierender Punkt, den wir offen ansprechen müssen –, daß diese Bundesregierung in zentralen Lebensfragen der Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem in letzterer, keine gemeinsame Sprache spricht, hier geht es diametral auseinander.

Drittens habe ich vor allem im Hinblick auf die Unterlage der Bundesregierung, im Hinblick auf die Positionierung Österreichs für die Regierungskonferenz 1996 den Eindruck, daß vieles nicht gemeinsam getragen wird und die Positionierungen dementsprechend schwammig und offen sind.

Als letzter, sehr wichtiger Kritikpunkt meine ich, daß auch die Bundesregierung nicht frei ist von Opportunismus in der Außenpolitik, wenn es um die Grund-, Freiheits- und Menschenrechte geht. Da beziehe ich mich insbesondere auf die Anerkennungspolitik gegenüber Rest-Jugoslawien.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich nehmen wir zur Kenntnis, daß die Außenpolitik und insbesondere die Europapolitik eine zu erarbeitende ist, eine ist, die sich im Fluß befindet und bei der es Kontroversen gibt. Man muß es nur offen aussprechen und darf nicht so tun, als ob diese Divergenzen nicht vorhanden wären.

Herr Bundesminister! Selbst wenn Außenpolitik für das Parlament eine spröde Angelegenheit ist, so ist es doch für die Öffentlichkeit ganz entscheidend, daß wir diese Auseinandersetzungen darüber sachlich, aber offen führen. Das wäre viel nützlicher als die wieder vom Zaun gebrochene Propagandawelle, die seitens der Regierung angekündigt wurde.

Eine offene und sachliche Auseinandersetzung wäre für die Öffentlichkeit viel wertvoller und für unsere Bürgerinnen und Bürger, die im Herbst zum ersten Mal ihre Repräsentanten im Europäischen Parlament wählen, viel sinnvoller. Sie werden den Verdacht nicht los werden, daß es sich um Regierungspropaganda handelt.

Lassen Sie eine ganz offene und kontroversielle Diskussion über diese Dinge zu! Sie sind kontroversiell, und in einem demokratischen, pluralistischen System ist die Diskussion, die Auseinandersetzung Grundlage für eine gemeinsame Politik. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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