Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 120

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Das ist genau richtig dosiert, daß man es in diesem Saal gerade noch sagen kann, ohne sich fachlich vollkommen ins Freie zu begeben. Es war aber auch so formuliert, daß man natürlich dann draußen bei den Stammtischen sagen kann: Naja, es ist nicht ganz so einfach, aber aufrechnen kann man es schon. Denn "nicht so ohne weiteres aufrechnen" heißt eben, daß man es aufrechnen kann. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das kann man auch!)

Und genau dieser Denkfehler ist bemerkenswert und beweist – das, was einer meiner Vorredner schon gesagt hat, unter anderem auch der Kollege Stummvoll –, daß das eben auch eine Frage der Kenntnis der Strukturen ist. Allein wenn man sich die differenzierte Struktur des österreichischen Arbeitsmarktes bewußt macht, weiß man, daß dieser Satz – "nicht so ohne weiteres aufrechnen" – grundsätzlich falsch ist, weil es überhaupt nicht möglich ist, das aufzurechnen, weil es hier einerseits um regionale Fragen geht, um Qualifikationsfragen, um strukturelle Fragen und letztlich auch um die Frage: Ist es sinnvoll, höherqualifizierte Menschen herunterzuqualifizieren, um genau diesen Aufrechnungsmechanismus leisten zu können, oder nicht? Ist es tatsächlich das, was gemeint ist mit "nicht so ohne weiteres aufrechnen", daß wir eben in Kauf nehmen, daß hochqualifiziert ausgebildete Menschen, für die wir schließlich über unser Schulsystem ja auch nicht unwesentlich investiert haben, statt daß sie durch eine offensive Wirtschaftspolitik einen Arbeitsmarkt vorfinden, in dem sie qualifikationsgemäß beschäftigt werden können, zum Zwecke des "nicht so ohne weiteres möglichen Aufrechnens" des Herrn Holger Bauer gleich in Hilfsdienste abgedrängt werden? – Das kann es ja nicht sein!

Man muß das einfach dazusagen. Man müßte – und zwar durchaus auch dort, wo sich dann vielleicht Vorurteile kultivieren lassen; auch ein Zitat vom Kollegen Bauer: "Das ist ein Thema beim Publikum"; genau da spürt man dann, was er meint – den Leuten sagen: Wir sind der Meinung, ihr sollt eure Qualifikation nicht verbessern, sondern sie vergessen und irgend etwas arbeiten, damit wir nur ja möglichst rasch die hier in Beschäftigung stehenden Ausländer aus dem Inland woandershin verbringen können. Denn nur dann würde das ja funktionieren.

Ich nehme ja nicht an, daß der Kollege Bauer meint, daß, wenn wir diese 275 000 Ausländer nicht mehr beschäftigt halten, sie dann kein Problem wären, wenn sie noch hier wären. Er sagt nicht dazu, die müssen natürlich dann weg, und selbstverständlich – so seine Philosophie – gleich mit ihren Familien. Daher verstehe ich, daß es für ihn besonders aufreizend ist, wenn jetzt ansatzweise versucht wird, das Menschenrecht auf Familienzusammenführung zu verwirklichen.

Damit ich da nicht in den falschen Verdacht gerate, mir gefällt das Integrationspaket des Bundesministers Einem wirklich, muß ich dazu sagen: Immerhin versucht man es jetzt wenigstens, und zwar durchaus in einer Symmetrie, die da heißt, das muß sich im Rahmen der Gesamtzuwanderung abbilden. Das ist ja eine richtige Philosophie, weil niemand in diesem Hohes Haus, der bei Sinnen ist und dem Sozialpolitik und der demokratiepolitische Frieden ein Anliegen ist, will, daß schrankenlos eingewandert werden kann. Wenn wir ein Einwanderungsland sind – und das sind wir –, dann müssen wir eben genau dieses Phänomen regeln. Das ist nur eine Frage des Wie, und da liegen wir mit der Regierung in einem heftigen Streit.

Aber eines ist sicher für uns: Ein Einwanderungsland kann sich eine Nullquote nicht leisten, und zwar auch aus sozialpolitischen Gründen nicht. Und wenn der Kollege Bauer hier vorgerechnet hat, daß wir spätestens im Jahr 2020 ein Problem bei den Pensionen haben werden, wenn wir jetzt Ausländer holen (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das habe nicht ich gerechnet, sondern das Humboldt-Institut in Berlin! Horchen Sie zu!) – es war im Pressedienst der Partei, es steht in der dringlichen Anfrage so geschrieben –, dann sage ich Ihnen: Natürlich ist es richtig, daß, wenn heute Menschen Beiträge zahlen, und das 25 Jahre lang, sie dann auch irgendwann einmal in einem Alter sind, wo sie selbst darauf angewiesen sind, daß andere für sie die Pensionen zahlen werden. Aber das heißt ja nicht, daß sie nicht jetzt und auf lange Sicht in unserem System Bruttozahler sind, mehr zahlen, als sie aus dem System herausbekommen. Da hilft auch kein Hin- und Hergeschiebe mit Argumenten wie Kindergärten und so weiter, denn das ist ein allgemeines Strukturproblem, das wir haben, das ist nur eine Abbildung von Kinderzahlen. Aber da verstehe ich den Kollegen Bauer wahrscheinlich auch richtig: Es ist ihm halt unangenehm, daß diese Kinder vielleicht "fremdstämmig" sind. Das mag er nicht so gerne.


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