Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 34

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zeigt. Das Revolutionäre an diesem Gesetz, das wir heute beraten, besteht nämlich darin, daß Kriegsverbrecher auch dann, wenn sie Staatsbürger des eigenen Staates sind, vor eine internationale Gerichtsbarkeit sollen und daß nicht gilt, Herr Dr. Ofner, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben, nämlich daß das vae victis, das Wehe den Besiegten, angewendet wird und nur die Kriegsverbrecher der Besiegten vor Gericht gestellt werden und die Kriegsverbrecher der Sieger – ich sage das ganz bewußt –, zum Beispiel diejenigen, die im Zweiten Weltkrieg die Bombardierungen, die Flächenbombardierungen auf deutsche Städte gegen jedes humanitäre Völkerrecht angeordnet haben, nicht bestraft werden.

Aus einem ethischen Gesichtspunkt heraus verstehe ich Ihre Bedenken, Herr Ofner, aber ich glaube, daß das vae victis, das Wehe den Besiegten, ein überwundener Rechtsgrundsatz ist und daß alle zivilisierten Staaten dieser Welt mit den Gerichten der Völkergemeinschaft zusammenarbeiten sollten, damit Kriegsverbrecher überall bestraft werden, und daß niemand glauben soll, einen sicheren Hafen zu haben, in dem er überwintern kann. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Schieder. )

Es ist ja gerade der Umstand, auf den Sie hingewiesen haben, daß Staaten, in denen es Kriegsverbrecher gibt, sehr oft aus politischen Gründen diese Kriegsverbrecher nicht verfolgen, der es notwendig macht, ein Internationales Gericht zu schaffen. Die Gründer der Vereinten Nationen hatten im VII. Kapitel nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges ein internationales Strafgericht vorgesehen, damit eben Kriegsverbrecher überall bestraft werden. Gerade deswegen, weil die Staaten das nicht wollten, weil die Engländer ihre Leute nicht bestrafen wollten, welche die Flächenbombardierungen der deutschen Städte, der Zivilbevölkerung angeordnet haben, ist aus diesem Programm der Vereinten Nationen bis heute nicht Recht geworden, sondern es ist toter Buchstabe geblieben, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nach den Greueln des Zweiten Weltkrieges, nach den Bestialitäten der Konzentrationslager des Nationalsozialismus, nach den Kriegsverbrechen, die auf allen Seiten begangen wurden, haben wir eigentlich geglaubt, daß sich das nicht mehr wiederholen wird; wir wurden in Jugoslawien – leider – eines Schlechteren belehrt. Es haben sich nicht in diesem Ausmaß, aber mit ähnlichen Begründungen und mit ähnlichen Mitteln die Bestialitäten des Zweiten Weltkriegs wiederholt. Es haben sich aus rassischen und religiösen Gründen die Konzentrationslager wiederholt, obwohl man das natürlich in keiner Weise mit der Shoah und mit dem Holocaust vergleichen kann, aber im Leiden ist es das gleiche Instrument. Es haben sich die Mißhandlungen, die Vergewaltigungen, die Brutalitäten gegen die Zivilbevölkerung wiederholt. Und es hat sich gezeigt, daß Ingeborg Bachmann mit ihrem traurigen Wort recht hat: Die Geschichte lehrt ununterbrochen, nur findet sie keine Schüler.

Daher müssen wir auf Grundlage der Erfahrungen auf dem Balkan und auf Grundlage der Erfahrungen in Afrika, in Ruanda, wo die gleichen Bestialitäten aufgrund rassischer Gründe vorgekommen sind, wo Millionen hingeschlachtet wurden, diesen Rechtsgrundsatz "Wir liefern keinen Österreicher einer internationalen Strafgerichtsbarkeit aus" verlassen, um in eine bessere Zukunft zu gehen, in der überall Kriegsverbrechen auch dann geahndet werden, wenn es eigene Staatsbürger sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. – Abg. Mag. Haupt: Darf ich einen Zwischenruf machen?) Beide dürft ihr einen Zwischenruf machen. (Abg. Mag. Haupt: Glauben Sie nicht, daß ..., solange das Vetorecht im Sicherheitsrat bestehen bleibt?)

Also das Vetorecht im Sicherheitsrat ist sicherlich bei der Durchsetzung eines Urteils eine weitere Hürde, aber ich nehme an, daß die internationale Friedensordnung, die sich ja entwickelt, mit dieser Gerichtsbarkeit Schritt hält. – Herr Kollege Ofner, bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Schon angebracht. Ich nehme die Geschäftsordnungsreform der Zwischenrede vorweg. (Abg. Dr. Ofner: Verfolgen schon, aber der österreichischen, der guten österreichischen Tradition entsprechend im eigenen Land! Denn ich gehe davon aus, daß Rechtsstaaten das immer tun werden, ...!) Kurze Zwischenrede! (Abg. Dr. Ofner: ... aber daß andere Länder, in denen man es nicht so genau nimmt, das nicht so tun werden! Daher habe ich diesen Vorbehalt!)


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