Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 57

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Ich wage anzumerken: Wenn zum Beispiel eine Einzelfirma in Konkurs geht, gibt es das Instrument des Offenbarungseides. Und jemanden, der nichts hat, kann man auch nicht die Verfahrenskosten einer Insolvenzabwicklung tragen lassen. Die Frage ist also – das werden die Sozialpartner noch beantworten müssen –, wer in diesem Fall die Kosten des Insolvenzverfahrens wirklich trägt.

Ich begrüße diesen Gesetzentwurf, weil er richtig ist, weil er neue Rechtssicherheit, neue Transparenz schafft. Ich frage aber noch einmal: Was heißt das in der Realität für die Unternehmungen dieses Landes?

Die Oesterreichische Nationalbank erhebt die Medianwerte für die Eigenkapitalausstattung verschiedener Branchen in Österreich. Median heißt, daß 50 Prozent der Betriebe besser, aber 50 Prozent der Betriebe schlechter sind als dieser Wert. Beim Handel tendiert die Eigenkapitalausstattung in den letzten Jahren gegen Null. In der Hotellerie liegt die Eigenkapitalausstattung im Durchschnitt bei minus 10 Prozent, in der Gastronomie bei minus 30 Prozent.

Wenn wir jetzt dieses Gesetz in Kraft treten lassen – und wir sollten es tun, weil es ein europäisches Gesetz ist – und gleichzeitig über die Insolvenzrechtsänderung diskutieren, dann heißt das, daß sich von den drei genannten Branchen mindestens die Hälfte, eher zwei Drittel der Betriebe einem Sanierungsverfahren zu stellen haben. Wir sollten also darüber nachdenken, warum das so ist. Warum gab es eine solche Vielzahl von Insolvenzen in Österreich? – Nur dadurch wurden bisher die Probleme ans Tageslicht gebracht. Jetzt wird die bittere Wahrheit schon wesentlich früher aufgezeigt.

1995: 63 Milliarden Schilling Insolvenzvolumen; 5 000 von 250 000 Unternehmungen mußten den Gang zum Konkursrichter antreten. Das sind 2 Prozent der bestehenden Unternehmungen dieses Landes! Für 1996 ist die Tendenz dieser Zahl steigend.

Meine Damen und Herren! Die Gründe dafür können doch nicht nur in der Unfähigkeit der Unternehmer dieses Landes liegen. Es ist ja fast nicht zu glauben, daß das so ist! Da mag es schon zu zu großen Entnahmen, unternehmerischen Fehlentscheidungen gekommen sein: Die Gründe werden wir als Politiker aber auch dort zu suchen haben, wo wir Einfluß haben, nämlich in der Frage der Gestaltung der Rahmenbedingungen in unserem Lande, in der Frage, welche Kostenpositionen wir für unsere Unternehmungen definieren, da in gewissen Branchen – nach diesen Überlegungen der Sozialpartner – weit über 50 Prozent eigentlich heute zum Konkursrichter gehen und ein Sanierungsverfahren beantragen müßten.

Ich möchte nur ein einziges Beispiel herausgreifen, um Ihnen klarzumachen, was ich meine. Dieses Hohe Haus – Sie, meine Damen und Herren – war sehr, sehr großzügig in der Beschlußfassung einer neuen Beauftragtenwelle. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre, wurden hier Gesetze beschlossen, die erst jetzt, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, kostenmäßig wirksam werden: Sicherheitsbeauftragte, Abfallbeauftragte, Lebensmittelbeauftragte, Betriebsärztegesetz und so weiter und so fort.

Was heißt das ganz konkret? – Für jede einzelne dieser Bestimmungen – wie Sicherheitsbeauftragte, Betriebsärztegesetz –, die Sie hier beschlossen haben, kann man natürlich argumentieren, daß sie wichtig und unverzichtbar ist. Aber haben Sie daran gedacht, welche Kosten sie verursachen, welche zusätzlichen Belastungen, damit Benachteiligungen hinsichtlich der Wettbewerbsposition und auch Beeinträchtigung der Beschäftigungslage Sie den Betrieben letztlich damit aufgebürdet haben? – Es muß klar festgehalten werden, daß diese Kostenpositionen nur ein Baustein, nur ein Bestandteil, nur ein Tropfen im überlaufenden Faß von Rahmenbedingungen sind, von Kosten, die Sie den Unternehmungen auflasten, welche sich dann selbstverständlich auf die Eigenkapitalsituation durchschlagen und dann mehr als die Hälfte gewisser Branchen zu Sanierungsfällen machen.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße diesen Entwurf wirklich, und ich begrüße auch die Diskussion um die Insolvenzrechtsänderung, aber seien Sie sich dessen bewußt, wenn Sie daran weiterarbeiten, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, an welchem


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