Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 60

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stellungen eben nur mit großer Zeitverzögerung diskutiert werden können. Daher hat dieser Bericht zur sozialen Lage eigentlich schon eher den Charakter eines sozialhistorischen oder wirtschaftshistorischen Dokuments. In diesem Sinne wird er von uns durchaus anerkannt, aber für den politischen Tag, für heute und für die Probleme der Zukunft ist er nur sehr beschränkt aussagekräftig. Dazu benötigen wir die aktuelleren Daten, dazu benötigen wird die aktuellen Trends, und diese sind in diesem Bericht nicht erkennbar.

Wenn Kollegin Reitsamer sich gegen einen Zwischenruf gewehrt hat, der auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist, dann verstehe ich das zwar aus ihrer Sicht, aber ich muß sagen, das war natürlich objektiv richtig. Es nimmt sich merkwürdig aus, wenn man sich vor dem aktuellen Hintergrund einer wachsenden Strukturkrise, vor dem Hintergrund einer tendenziell ständig weiter steigenden Arbeitslosigkeit und vor dem aktuellen Hintergrund einer sozialbürokratischen Ratlosigkeit dieser Regierung über das Jahr 1994 unterhält.

Daher meine ich, aus dem Bericht über die soziale Lage nur zwei Gesichtspunkte herausgreifen zu sollen, die zeigen, wie stimmig diese Kritik ist. Schon im Bericht 1993 haben wir gelesen, daß es im Bereich der Arbeitslosigkeit keine Teilleistungen gibt. Ich knüpfe damit ganz bewußt an die Ausführungen des Kollegen Haider an, der dieses Thema – wenn auch vielleicht mit einem anderen Zugang, aber völlig richtig – herausgearbeitet hat.

Im Bericht 1994 lesen wir wiederum, daß es nach wie vor leider keine Teilleistungen im Bereich von Invaliditätspensionen gibt, obwohl das nicht grundsätzlich so ist, denn im Bereich der Arbeitsunfälle gibt es das, nur im Bereich der sonstigen Invalidität gibt es das nicht. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, sehen Sie jedoch, daß Zigtausende teilinvalide Menschen sehr gerne arbeiten würden, wenn sie es sich dadurch auf der sozialen Ebene nicht dramatisch verschlechtern würden, auf der Pensionsseite aber in keiner Weise gedeckt wären durch die Pensionen, die sie bekommen würden. Hier entsteht eine Schere, die ständig weiter aufgeht, die teuer, unsozial, unmenschlich und für die Arbeitswelt unerträglich ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch ein zweiter Aspekt sei aus diesem wirtschafts- und sozialhistorischen Bericht herausgegriffen und an einem Beispiel beleuchtet: die Frauen. Man kann sie aus diesem sozialhistorischen Bericht herausgreifen, weil sich leider der Befund seit Jahrzehnten nicht wirklich verändert hat. Es stellt sozusagen eine Durchgangskonstante aller Sozialberichte dar, daß aus ihnen hervorgeht, daß die Frauen nach wie vor dramatisch schlechtergestellt sind, was man leicht erkennt, wenn man sich nur die Einkommen ansieht. Nach wie vor sind die Einkommensunterschiede so dramatisch groß und so konstant gleichbleibend, daß man eigentlich nur von einem tragischen Versagen der Rahmenbedingungen sprechen kann. Ich glaube, das ist, als Beispiel herausgehoben, deutlich genug.

Nach wie vor sind aber auch die Möglichkeiten für Frauen, zu verdienen, dramatisch geringer, und unter den Einkommensbeziehern, die weniger als 12 000 S brutto verdienen, ist die überwiegende Mehrzahl Frauen. Aber nicht deswegen, weil sie schlechter qualifiziert sind, sondern weil sie schlechter qualifiziert eingesetzt werden und weil sie außerdem dann noch schlechter bezahlt werden als Männer, wenn diese dieselbe Arbeit machen würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt würde man meinen, daß man, wenn schon dieser unbefriedigende Befund vorliegt – ich bin mir sicher, alle Fraktionen sind sich in diesem Punkt einig, es geschieht nur nichts von der Regierungsseite her –, wenigstens die richtigen Erkenntnisse daraus zieht. Aber welche Erkenntnis ist daraus gezogen worden? – Es wurde ein Bonus-Malus-System für ältere Dienstnehmer eingeführt, das genau dieses Element benützt, um Frauen rascher aus der Arbeitswelt "hinauszuregeln", denn wenn man diesen Befund hat, dann weiß man: Das Pensionsantrittsalter ist niedriger, die Einkommen sind niedriger, der Malus ist niedriger. Und umgekehrt: Das Pensionsantrittsalter der Männer ist höher, das Einkommen ist höher, der Bonus ist höher.


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