Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 100

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nehmen möchte und bei dem sparen will, was die armen Teufel, die krank sind, bekommen sollen.

So gesehen, meine Damen und Herren, ist das angebliche Sozialversicherungssparpaket kein Sparpaket, sondern ein Schröpfpaket. Es ist ein Schröpfpaket! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn sparen heißt, daß man selber weniger ausgibt. Sparen heißt nicht, daß man den anderen mehr wegnimmt oder daß man die Ansprüche der anderen reduziert.

Wenn die Kassen selber verkünden, daß sie 300 Millionen Schilling in irgendwelchen Zeiträumen einsparen würden, dann sind das inhalts- und, wie ich behaupte, auch zahnlose Absichtserklärungen, wenn nicht noch weniger. Diesem nebulosen Versprechen: Auch wir werden sparen!, das sich sehr abstrakt hält, stehen die ganz konkreten Griffe in die Taschen der anderen gegenüber. Und da sind es die Pensionisten, denen ganz besonders tief in die Tasche gegriffen wird. Ausgerechnet die Pensionisten! Nur bei ihnen, meine Damen und Herren, soll der Krankenversicherungsbeitrag um 0,25 Prozentpunkte erhöht werden, was wohl auch geschehen wird.

Das kann ich nicht verstehen. Das kann auch nicht dadurch ausgeglichen werden, daß die Pensionisten den Krankenscheinbeitrag, der neu kommen soll, nicht bezahlen sollen müssen. Denn was ist mit den Pensionisten, die das Glück haben, keinen Krankenschein zu brauchen? Wo liegt dann die Einsparung bei denen?

Es ist nicht so, daß man den Standpunkt vertritt, alle Versicherten sollen mehr zahlen. Nein, nur die Pensionisten sollen es tun! Das ist unverständlich, das ist ungerecht, das ist nach meiner Meinung verfassungswidrig, weil dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend, und das ist ein Skandal, den sich die älteren Menschen nicht gefallen lassen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage mich, meine Damen und Herren – ich nehme wieder den Brief des Herrn Bundeskanzlers vom 7. Dezember 1995 zur Hand –, wie dieser Umstand mit der Passage in Einklang zu bringen ist, die da heißt: Sie – nämlich der Adressat, ein älterer Mensch – haben mit Ihrer Arbeit aus einem armen Nachkriegsösterreich ein wohlhabendes Land gemacht, ein sicheres, stabiles Österreich, auf das wir alle stolz sein können. Dieses Land braucht keine Experimente. Am 17. Dezember entscheiden Sie darüber, ob es so bleibt.

Ich frage Sie wieder, Herr Bundeskanzler, und ich bitte Sie, das dann genauso nüchtern zu beantworten, wie ich es hinterfrage: Ist das wirklich die Erfüllung dieses Versprechens? Ist es wirklich die Konsequenz von diesem Aufruf, daß man jetzt hergeht und ausgerechnet den Menschen dieser von Ihnen so direkt angesprochenen älteren Generation mehr aus der Tasche zieht – eine bestimmte Quote als einzigen – als allen anderen, die versichert sind? Das kann doch nicht wirklich so sein, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben aber außerdem – und auf das möchte ich besonders hinweisen – noch stark untertrieben, wenn Sie beziehungsweise Ihre Werbefirma lediglich darauf zu sprechen gekommen ist, daß der Adressat des Briefes aus einem armen Nachkriegsösterreich ein wohlhabendes Land gemacht hat. Das ist nur eine Seite der Medaille. Die ältere Generation, um die es geht, hat viel mehr mitmachen müssen, hat viel mehr leisten müssen als "nur" die Tatsache – "nur" unter Anführungszeichen – des Wiederaufbaus.

Ich darf an die fürchterliche Zwischenkriegszeit erinnern, die nur die Älteren hier im Haus noch persönlich miterlebt haben, an die Zwischenkriegszeit mit Bürgerkrieg, mit Diktatur, mit Arbeitslosigkeit und Aussteuerung in einem Ausmaß und mit Folgen, die man sich heute zum Glück überhaupt nicht mehr vorstellen kann. Ich erinnere an die Zwischenkriegszeit, die in Wien bedeutet hat, daß für die Ärmsten der Armen das Bundesheer – damals noch mit bespannten Fahrzeugen und mit der Trompete – unterwegs gewesen ist, um abgetragene Kleider zu sammeln, die bedeutet hat, daß alle halben Stunden an die Tür ein Bettler gekommen ist, aber nicht ein Arbeitsscheuer, sondern ein Mensch, der erklärt hat: Ich bin bereit, alles zu tun, suche Arbeit, nehme jede Arbeit an, habe Hunger, bitte helfen Sie mir!, Leute mit allen möglichen Schulabschlüssen und ähnlichem mehr. Und während an der Tür ein Bettler dem anderen die


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