Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 127

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daß Sie immer wieder an die Wahlversprechen erinnert werden müssen, daß Sie offensichtlich manche Wahlversprechen vergessen haben.

Viel bedenklicher aber, Herr Bundeskanzler, finde ich, daß Sie anscheinend der Meinung sind, daß Sie Wahlversprechen erfüllen, wenn Sie Wahlversprechen brechen. Und das haben Sie heute demonstriert. Das ist nicht nur eine leere rhetorische Floskel. Sie haben heute sehr deutlich demonstriert, was Sie damit meinen! Sie haben zum Beispiel gesagt, Herr Bundeskanzler, das Versprechen einer gerechten Gesundheitsreform sei eingelöst durch das, was Sie jetzt paktiert haben.

Was ist denn davon zu halten, wenn auf der anderen Seite ein Parteikollege von Ihnen, nämlich Kollege Nürnberger, sagt, das, was da paktiert worden ist, sei extrem unsozial? Was ist von dieser "gerechten" Gesundheitsreform zu halten, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, doch ebenso wie ich wissen, daß Selbstbehalte – und diese haben Sie ja jetzt in noch verstärktem Maße eingeführt – in dieser Form niemals ein Beitrag zur Gerechtigkeit sein können, weil Selbstbehalte immer viel mehr jene mit knappen Einkommen stärker fordern und stärker heranziehen als diejenigen, die relativ gut bei Kasse sind?

Was ist davon zu halten, Herr Bundeskanzler, wenn Sie das als "gerechte Gesundheitsreform" bezeichnen, obwohl zum Beispiel der Sozialminister noch nicht einmal weiß, was von diesen Selbstbehalten tatsächlich in das Gesundheitswesen wieder zurückfließt, was davon an Administrations-, Verwaltungskosten und so weiter irgendwo versickert? – Wir haben nicht einmal Daten darüber, was mit diesen Selbstbehalten geschieht! Wir wissen, es gibt unglaublich viele Selbstbehalte: 20, 30, 40 – je nachdem, ob man das, was man als vollständige Eigenleistung beispielsweise bei den Zähnen erbringen muß, auch als Selbstbehalt tituliert. Wenn ich etwa 100 Prozent zahlen muß, weil ich mir eine Krone anschaffen will, ist das dann noch Selbstbehalt? – Ich meine schon! Und diese Selbstbehalte gibt es zur Genüge im Gesundheitswesen.

Ich denke, das, wovor wir Angst haben, es auszusprechen und deutlich zu sagen, gibt es schon, nämlich eine Zweiklassenmedizin. Es gibt die Sozialversicherung, die bestimmte Basisleistungen erbringt, und es gibt die Sozialversicherung, die für das, was zwar elementar notwendig ist, keine Leistungen mehr zur Verfügung stellt. Das ist keine gerechte Gesundheitsreform! Das ist kein Beitrag nach vorne!

Was ist davon zu halten, Herr Bundeskanzler, wenn Sie sagen, es gibt Ausnahmen für Kinder und Pensionisten? Sie wissen doch, Herr Bundeskanzler, genauso gut wie ich, daß allein das Faktum, daß jemand Pensionist ist, noch lange nicht heißt, daß er wenig verdient oder daß er viel verdient. Wir kennen unter den Pensionisten auch hier in diesem Hohen Haus einige sehr gut verdienende "Exemplare" von Pensionisten, die daneben noch arbeiten können. Wir kennen andere Pensionisten, die sehr wenig verdienen. Wir kennen wiederum andere Pensionisten, die drei oder vier verschiedene Pensionen akkumulieren können. – Warum soll dieser zum Beispiel ausgenommen werden von einem Selbstbehalt? Warum soll der ausgenommen sein? – Das können Sie mir nicht erklären!

Das ist keine sozial gerechte Gesundheitsreform in dem Sinn, daß die Selbstbehalte tatsächlich sozial wirksam würden. Es ist auch nicht so, Herr Kollege Feurstein, wie Sie sagen: Ich habe bei einem Kuraufenthalt mit allen Leuten gesprochen, und diese waren alle einverstanden. – Das kann schon sein, Herr Kollege Feurstein – aber Sie haben nicht mit den Leuten gesprochen, die sich den Kuraufenthalt nicht leisten können! Es gibt sie, die Pensionisten, die knapp über der Mindestpension liegen. Ich kann sie Ihnen nennen, ich habe sie in meinem Verwandtenkreis. Die müssen es sich jedesmal überlegen, ob Sie sich einen Kuraufenthalt leisten können, weil Sie diesen Selbstbehalt zahlen müssen. Das mußten sich die Familienangehörigen auch schon bisher überlegen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. )

Ich denke, man kann es sich nicht so einfach machen. – Herr Feurstein! Dort, wo Sie auf Kuraufenthalt gehen, wird es sich vielleicht jeder leisten können! Aber Sie wissen genauso gut wie ich, daß es genügend Pensionisten und ärmere Personen – nicht nur unter den Pensionisten – gibt, die sich das nicht leisten können.


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