Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 138

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darzustellen. Ich frage Sie: Wie werden Sie es bezeichnen, wenn Ihnen wirklich einmal eine Reform gelingen sollte? Den Begriff "Reform" können Sie jedenfalls nicht mehr benützen.

Dieses Paket, das hier beschlossen wurde, ist weit entfernt von jeder Reform. Es ist einzig und allein eine Verhinderung von Reformen. Sie wollen Ihr Defizit auf Kosten der Kranken, auf Kosten der Patienten, auf Kosten der Pensionisten sanieren. Kein Mensch in der Privatwirtschaft würde sich getrauen, wenn es darum geht, seine Firma wieder in den Griff zu bekommen und Schulden abzubauen, automatisch die Produktpreise zu erhöhen, ohne vorher innerhalb seines Unternehmens alles nach Kosteneinsparungspotentialen zu durchforsten. Im Krankenkassenbereich ist das anscheinend überhaupt nicht notwendig, oder Sie wollen absolut nicht riskieren, daß Sie seit Jahren verkrustete Strukturen aufbrechen und neue zeitgemäße Systeme einführen.

Was Ihnen mit dem Belastungspaket II, 2. Quartal 1996, gelungen ist, ist nichts anderes, als daß Sie zusätzlichen Verwaltungsaufwand geschaffen haben, den Sie jetzt schon nicht mehr überschauen können, Sie wissen noch gar nicht, wie das überhaupt – wenigstens halbwegs – funktionieren soll.

Ich möchte das anhand eines Beispiels festhalten: Es ist Krankenscheingebühr von 50 S eingeführt worden. Es wurde beschlossen, daß diese Gebühr von den Dienstgebern einzuheben ist. Das ist die eine Seite. Aber meine Frage ist: Wer hebt die Krankenscheingebühren von den Selbständigen, den Unternehmern ein? Wer hebt zum Beispiel in Zukunft meine Krankenscheingebühr ein? Ich weiß nicht, wem ich meine 50 S geben soll. Ich bekomme einmal pro Jahr ein dickes Paket mit Krankenscheinen, Zahnarztscheinen und Facharztscheinen, die ich dann nach Bedarf zum Arzt mitnehme. Wem bezahle ich also meine 50 S? Wer kann kontrollieren, wie viele Scheine ich schon verwendet habe? – Niemand kann das kontrollieren.

Wenn Sie ein System einrichten, das kontrollierbar ist, dann – das wissen Sie ganz genau – ist das mit enorm hohem zusätzlichem Verwaltungsaufwand belastet. Die 50 S, die pro Quartal abzuliefern sein werden, werden draufgehen beziehungsweise wird der Verwaltungsaufwand für die 50-S-Gebühr wahrscheinlich 80 S betragen. Wenn Sie da noch von einer Reform sprechen, dann haben Sie sich wirklich bis jetzt noch nie überlegt, was der Begriff "Reform" eigentlich bedeutet beziehungsweise was Reformen sind! Diese Form des neuen Belastungspakets ist keine Reform! Wenn Sie glauben, daß das dem Staatshaushalt oder der Krankenkasse etwas bringen wird oder daß Sie mit den 50 S die Gesundheit der Bevölkerung verbessern können, dann sind Sie ebenfalls auf dem Irrweg.

Es haben mich schon viele Leute angesprochen und zu mir gesagt: Wenn ich jetzt 50 S pro Quartal für den Krankenschein bezahlen muß, dann warte ich, bis ich richtig krank bin, und dann erst gehe ich zum Arzt. – Was das heißt, das wissen auch Sie. Das heißt, es werden in Zukunft viele Menschen erst dann zum Arzt gehen, wenn die Krankheit bereits akut ist, sodaß die Heilungsdauer sich entsprechend verlängern wird. Das ist genau jene Negativerscheinung, die wir uns eigentlich ersparen wollten, denn es war doch immer geplant, auf Prävention, auf Vorsorge zu setzen. Wir wollen, daß Menschen gesund bleiben beziehungsweise sehr bald in einen Behandlungsprozeß einsteigen können, um eine Krankheit nicht zu verschlimmern. Aber mit diesem System wird Ihnen das nicht gelingen – ganz im Gegenteil: Sie werden erreichen, daß wirklich nur mehr die Akutfälle zum Arzt gehen.

Es wurde von Bundeskanzler Vranitzky versprochen, daß es zu keinen zusätzlichen Erhöhungen für Einkommensschwache, für Pensionisten kommen wird. Daß das nicht stimmt, wurde heute schon einige Male erwähnt. Ich habe es auch nicht geglaubt, um ehrlich zu sein, denn daß das Strukturanpassungsgesetz und das Belastungspaket, das wir vor wenigen Monaten verabschiedet haben, nicht die letzte Belastung für heuer sein würde, das wir mir klar, ebenso, daß dieses zweite Belastungspaket auch nicht das letzte für 1996 sein wird. Ich glaube, wer von der Bundesregierung ehrlich ist, muß sich eingestehen, daß auch dies nicht der Fall sein wird, sondern das war das Belastungspaket 2. Quartal 1996, und das Belastungspaket 3. Quartal 1996 wird in Kürze folgen.


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