Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 197

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österreichischen Energiewirtschaftsstrukturen hier ganz kurz beleuchten, und zwar ausschließlich von dem Gesichtspunkt, daß zwischen der Auffassung des Herrn Bundesministers und der Menschen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, in der Sache wohl kein zu großer Widerspruch bestehen wird. Wenn Sie sich in öffentlichen Äußerungen schon zum Grundsatz der Entflechtung der Unternehmenszwecke, und zwar der Höchstspannungsnetze, der Produktions- und Flächenversorgung bekannt haben, dann ist das an und für sich ein Fundament, auf dem man diskutieren kann. Aber man muß das vor die österreichische Wirklichkeit projizieren.

Herr Bundesminister! Ich sehe eine Fülle von großen Problemen auf Sie beziehungsweise auf diejenigen zukommen, die diese Reformen tatsächlich leisten wollen, weil es sich hier um einen Wirtschaftssektor handelt, der in mehrfacher Hinsicht 50 Jahre österreichische Wirtschaftsgeschichte widerspiegelt, und zwar nicht von ihrer besten Seite.

Uns liegt einerseits folgender Befund vor: Im Jahr 1987 hat die große Koalition ein Gesetz geschaffen, in dem im Verfassungsrang festgeschrieben ist, daß die österreichische Elektrizitätswirtschaft mit 51 Prozent verstaatlicht bleiben muß. – Das ist eine erste Reformherausforderung.

Es wurde zweitens in demselben Gesetz im Jahr 1987 festgeschrieben – beschlossen mit den Stimmen der großen Koalition –, daß die gegenwärtige Struktur mit den neuen Landesgesellschaften, den Sondergesellschaften, der Verbundgesellschaft in der bestehenden Form und den Unternehmensgegenständen, so wie sie dort beschrieben sind, so zu bleiben hat, wie sie ist. Und ich sage noch einmal: Es handelt sich hiebei um Verfassungsbestimmungen.

Außerdem gibt es hochgradig divergierende Interessenkonflikte in den einzelnen Bundesländern und zwischen den Bundesländern und dem Bund, das heißt zwischen schwarzen und roten Landesgesellschaften, zwischen proporzdominierten Landesgesellschaften und untereinander verflochtenen Landesgesellschaften. Es liegt der Befund vor, daß sich der Verbund inzwischen teilweise an Landesgesellschaften beteiligt hat, und die Personalstände sind nach wie vor hypertrophe. Und wir haben – das ist ganz wesentlich – nach wie vor in Österreich in Anbetracht dessen, daß wir einen Wasserkraftanteil von 70 Prozent haben, einen unverhältnismäßig hohen Strompreis.

Ich glaube, Herr Bundesminister, es war kein Zufall, daß Sie dieses Thema auch öffentlich angeschnitten haben. Denn niemand weiß besser als Sie, daß die EU-Richtlinie, die es jetzt gibt – Kollege Van der Bellen hat schon darauf hingewiesen –, einen ganz kurzfristigen Handlungszwang auslöst. Denn wenn wir es nicht schaffen, bis zum Inkrafttreten dieser Richtlinie, die immerhin marktwirtschaftliche Elemente bringen wird, also bis zum Jahr 1997 eine Strukturreform durchzuführen, dann wird das in einem Desaster enden, nämlich darin, daß wir in einem der zentralen Infrastrukturbereiche dieses Landes die eigentliche Wirtschaftshoheit verlieren werden. Und ich glaube, das würde wirklich den Zusammenhalt der Republik als Teil des geeinten Europas schwer gefährden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Abgesehen von den technischen Details und den wirtschaftlichen Aspekten, die ich jetzt nicht beleuchten will, ist diese politische Herausforderung aus den genannten Gründen meiner Meinung nach wirklich eine große Herausforderung. Sie werden Ihren Fraktionskollegen Landeshauptleuten erklären müssen, warum das vernünftig ist. Und Sie werden erleben, daß die kurzfristige Angst, nicht wiedergewählt zu werden, im Land Oberösterreich und im Land Niederösterreich ein wesentlich stärkeres Motiv ist als die rationale Überlegung, daß es in fünf oder sechs Jahren in Österreich ein Desaster geben kann. (Abg. Dr. Schmidt: Auch die Wiener Wahl bedeutet ein Desaster!) Aber es wird diesen Landeshauptleuten – ich möchte hier eine Person besonders einbinden, damit ich nicht ausschließlich die Fraktionskollegen des Herrn Bundesministers Farnleitner apostrophiere –, es wird auch Herrn Bürgermeister Häupl klarzumachen sein, daß es am Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß ist, ein Energieversorgungsunternehmen von der Größe und von der Bedeutung der Wiener Stadtwerke letztlich in Form einer Magistratsabteilung zu führen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Schmidt: So ist es!)


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