Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 140

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Österreich ist nicht Trittbrettfahrer in der Sicherheitspolitik, denn das lassen die anderen Staaten nicht zu, daß jemand, ohne die Pflichten einer Mitgliedschaft zu tragen, die Vergünstigungen bekommt. Aber Österreich wird immer mehr zum Geisterfahrer in der Europäischen Sicherheitspolitik. Wir fahren in die falsche Richtung und wissen anscheinend nicht, in welche Richtung die sicherheitspolitische Diskussion geht.

Fassen Sie endlich Mut, sagen Sie der Bevölkerung in Österreich die Wahrheit, nämlich daß die Neutralität ein Instrument der Vergangenheit ist, das in der Vergangenheit eine wichtige Funktion gehabt hat, daß wir uns aber jetzt auf neue Gegebenheiten einzustellen haben, und das ist nur im Verbund mit den anderen Staaten möglich. Fassen Sie den Mut, setzen Sie endlich gemeinsam mit uns die Initiativen, stellen Sie die Mitgliedsanträge zur NATO, zur Westeuropäischen Union, schaffen Sie die Voraussetzungen für eine funktionierende Landesverteidigung, denn dann ist auch die Sicherheit Österreichs für die Zukunft sichergestellt! Österreich darf sich nicht immer mehr zu einem sicherheitspolitischen Vakuum im Herzen Europas entwickeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.00

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich bin der grünen Fraktion dankbar, daß sie heute das Thema Neutralität einer Diskussion unterzieht. Ich glaube, daß diese Diskussion dringend notwendig ist – im Gegensatz zu dem, was Kollege Schieder gesagt hat –, aber in der Sache selbst gehe ich natürlich mit den Grünen ganz und gar nicht konform. Im Gegenteil: Ich behaupte, daß sie einen sicherheitspolitischen Diskussionsstand haben, der irgendwo weit vor ihrem Gründungsdatum liegt, irgendwo in den siebziger Jahren. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser .) Ich glaube auch, daß sie bis heute noch nicht erfaßt haben, daß sich Österreich als Mitgliedsland der Europäischen Union in einer total veränderten sicherheitspolitischen Situation befindet.

Es gibt aber einen Milderungsgrund für die Grünen, der darin liegt, daß sich auch die beiden Regierungsparteien sehr bemühen, nur ja zu vermeiden zuzugeben, daß sich in den Fragen des Zusammenhanges Beitritt zur Europäischen Union und immerwährende Neutralität vielleicht gar etwas geändert hätte. Das hat natürlich auch wieder Tradition. Das war nicht nur so, als wir die Abstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union hatten, sondern das geht bis heute weiter, daß man strikt und konsequent sagt: Mit dem Beitritt zur Europäischen Union rührt sich bei der Neutralität überhaupt nichts, sie wird nicht verändert, man muß sie vielleicht ein bißchen weiter interpretieren, man muß eine neue Neutralität als Schlagwort kreieren, aber es bleibt alles beim alten.

Diese Vernebelungstaktik führt natürlich dazu, daß Unsicherheit über die sicherheitspolitische Zukunft dieses Landes besteht. Die Bundesregierung, die eigentlich dazu aufgerufen wäre, diesbezüglich an einem Strang zu ziehen, belegt fast täglich die Zerstrittenheit zwischen den Regierungsparteien, aber natürlich genauso innerhalb der Parteien in dieser zentralen Frage.

Wenn zum Beispiel der ÖVP-Obmann und Außenminister ganz klar im ORF feststellt, es gehe um die Schaffung einer europäischen Friedenszone und einer europäischen Friedensinstitution, die etwa in Europa nur die Westeuropäische Union als der europäische Arm der NATO sein kann, dann drückt er ganz klar aus, was seine Zielsetzung ist.

Aber offensichtlich glaubt er oder zumindest die ÖVP, daß das mit der Neutralität nichts zu tun hat. Dort schaut es aus einer anderen Perspektive wieder anders aus. ÖVP-Generalsekretär Karas sagte vor nicht einmal einem Monat: Wir haben keine Neutralitätsdiskussion zu führen, und wir führen auch keine. – Das ist also genau dieselbe Methode, die man bei den Sozialisten noch viel stärker sieht: Westeuropäische Union und EU haben mit Neutralität nichts zu tun.

Klubobmann Khol sieht das schon wieder anders, denn er stellt in einem Presse-Artikel fest: "Wo kein Neutralitätsfall mehr eintreten kann, ist der Neutralitätsstatus nicht mehr anwendbar." –


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite