Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 231

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Das fängt schon damit an, daß der Antrag eine Philosophie enthält, die nicht mit der Wirtschaftsgeschichte Österreichs übereinstimmt. Es ist richtig, daß im Jahre 1947 das Zweite Verstaatlichungsgesetz geschaffen wurde, und es gab mehrere Gründe dafür. Einer der Gründe war wohl auch der Wunsch, eine bessere Abschirmung im Verhältnis zu den Besatzungsmächten zu schaffen. Der zweite Aspekt bestand in dem Bemühen, eine vernünftige, arbeitsteilige und – heute würde man das so sagen – dem "Unbundling" verpflichtete Organisationsstruktur zu entwickeln, die eben zwischen dem Gesichtspunkt der überregionalen Netze, den Großkraftwerken und der Versorgung auf der Fläche unterscheidet.

Aber diese Organisationsphilosophie wurde in den letzten 50 Jahren nicht durchgehalten, und das ist eines unserer Probleme. Daß der gesamte Bereich verstaatlicht ist, ist ein völlig anderer Problemkreis. Es ist aber auch eines unserer Probleme. Dieses zweite Problem, nämlich das Problem der Verstaatlichung, wurde allerdings von dieser Koalition im Jahre 1987 maximal verschärft, indem man sich zu einem sogenannten Privatisierungsschritt entschlossen hat, der aber in Wirklichkeit bedeutet hat, daß 49 Prozent Privatkapital de facto eingeladen wurden, sich verstaatlichen zu lassen, und zwar deswegen, weil einerseits die öffentlichen Mehrheiten in der Elektrizitätswirtschaft im Verfassungsrang abgesichert sind, weil zweitens das Aktienrecht Sonderbestimmungen erhalten hat, sodaß sich die Privataktionäre im Aufsichtsrat nicht ernsthaft wiederfinden, sondern es für sie dort nur einen Platz gibt, und weil drittens an der Organisationsstruktur nicht gleichzeitig etwas geändert wurde. Jetzt stehen wir vor der Aufgabe – und Bundesminister Farnleitner hat das ja schon frühzeitig angekündigt und in den Raum gestellt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der neuen EU-Richtlinie über die Liberalisierung der Strommärkte –, da eine neue Organisationsstruktur zu finden.

Deswegen ist es mir besonders wichtig, mich zum Entschließungsantrag des Kollegen Prinzhorn zu positionieren. In diesem Entschließungsantrag wird die falsche Reihenfolge gewählt. Darin wird darauf insistiert, alles soll, wie es liegt und steht, abverkauft werden, sozusagen Schlußverkauf in der Elektrizitätswirtschaft. Aber das ist keine Privatisierung, sondern das wäre eine Verschleuderung, denn wenn ich einen Wirtschaftszweig ordnungsgemäß in eine andere Form überführen will, so ist es zunächst wichtig, die Organisationsstruktur so zu gestalten, daß sie leistungsfähig ist, und zwar leistungsfähig im Sinne des Unternehmensgegenstands Elektrizitätsversorgung. Und diese Gestaltung der Organisationsstruktur ist leichter zu bewerkstelligen, wenn nicht zu diesem Zeitpunkt bereits eine große Zahl – und das womöglich flüchtiger – Aktionäre vorhanden ist. Das wäre die letzte Aufgabe, die die öffentliche Hand in einem Bereich zu leisten hat, der für diese Republik infrastrukturell von außerordentlicher Bedeutung ist.

Ich möchte schon daran erinnern: Die Elektrizitätsversorgung ist eines der großen Netze! Neben den Bereichen Verkehr und Kommunikation ist die Energieversorgung in leitungsgebundenen Systemen eines der großen Netze und ist maßgeblich für die Standortqualität eines Landes: ob die Infrastruktur leistungsfähig, modern und effizient ist oder ob sie ein Fleckerlteppich ist. In Österreich ist die Elektrizitätsversorgung als strukturelle Angelegenheit nämlich ein Fleckerlteppich.

Daher meine ich: Der Entschließungsantrag des Kollegen Prinzhorn ist zwar gut gemeint, er geht aber bedauerlicherweise in diesem sehr komplizierten Wirtschaftsbereich davon aus, daß man alles dem Glück und dem Zufall überlassen kann und daß man geordnete Strukturen im Bereich leitungsgebundener Energieversorgung dadurch bewirkt, daß man die Chaostheorie anwendet. Wir sind der Meinung: Ordentliche Strukturen, und dann ist das ganze Konstrukt auch privatisierungstauglich! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.37

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Blünegger ist hier ans Rednerpult getreten und ist im Zusammenhang mit der Situation im Lehrlingswesen für die Schließung von Lehr


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