Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 74

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vorzügliches Heilmittel? – Es ist die Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie, indem wir ihr eine Struktur geben, in welcher sie in Frieden, in Sicherheit und in Freiheit bestehen kann.

Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten. Nur auf diese Weise werden Hunderte von Millionen sich abmühender Menschen in die Lage versetzt, jene einfachen Freuden und Hoffnungen wiederzuerhalten, die das Leben lebenswert macht.

Das einzige, was notwendig ist, ist der Entschluß Hunderter von Millionen Männern und Frauen, Recht statt Unrecht zu tun und dafür Segen statt Fluch als Belohnung zu ernten.

Und dann dankt er – auch überraschend von Winston Churchill – den Anstrengungen der Paneuropäischen Union, welche Graf Coudenhove-Kalergi, einem Österreicher, viel zu verdanken hat und welche dem Wirken des berühmten französischen Patrioten Aristide Briand seine Richtung gab.

Er sagt dann – ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs –, Deutschland müsse der Macht beraubt werden, sich wieder zu bewaffnen und einen neuen Angriffskrieg zu bewältigen. Aber wenn dies alles getan ist, dann muß die Vergeltung ein Ende haben, dann muß das stattfinden, was Gladstone vor vielen Jahren den "segensreichen Akt des Vergessens" genannt hat: Wir müssen dann dem Schrecken der Vergangenheit den Rücken kehren, wir müssen in die Zukunft blicken.

Und er sagt weiters etwas, was Sie erstaunen wird: Der erste Schritt zu einer Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie muß eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein. Es gibt kein Wiederaufleben Europas ohne ein geistig großes Frankreich und ein geistig großes Deutschland. Wenn das Gefüge der Vereinigten Staaten von Europa gut und richtig gebaut wird, dann wird die materielle Stärke eines einzelnen Staates weniger wichtig sein. Kleine Nationen werden genauso viel zählen wie große, und sie werden sich ihren Rang durch ihren Beitrag für die gemeinsame Sache sichern. – Prophetische Worte. Und dieses Projekt Europa lebt heute noch. Es ist ein junges Projekt, und wir sind dabei.

Vor eineinhalb Jahren, genau 20 Monate ist es her, ist Österreich der EU beigetreten. Es ist daher hoch an der Zeit, daß man eine Bilanz angesichts der großen Linien zieht. Dieses Projekt Europa lebt, es hat sich vor zehn Jahren das Ziel einer Währungsunion gesetzt, und in drei Jahren erfolgt hierfür der Startschuß. Das Projekt Europäischer Binnenmarkt lebt, denn vor drei Jahren wurde der Europäische Wirtschaftsraum gegründet. Das Projekt der Integration Europa – nicht der Festung! – lebt, da seit fünf Jahren nach dem Fall des Kommunismus mittlerweile ein dichtes Netzwerk von zwölf Assoziationsverträgen mit den osteuropäischen und mitteleuropäischen Ländern fix und fertig ist. Und seit Jänner 1995 sind drei neue Mitglieder – Schweden, Finnland und Österreich – mit dabei.

Das Projekt lebt und geht weiter, weil in Richtung Regierungskonferenz, in Richtung Osterweiterung, in Richtung Aufbau einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und einer Verteidigungspolitik jetzt ernsthaft verhandelt wird.

Wir sollten natürlich auch die Frage aufwerfen, die der Bundeskanzler bereits versucht hat in einigen raschen Pinselstrichen zu zeichnen. Und ich will damit fortsetzen, was dieses Projekt für uns in Österreich konkret bedeutet und was es bewegt hat.

Ich stimme dem Herrn Bundeskanzler zu, daß Österreich jetzt nicht nur in allen EU-Gremien vertreten ist, sondern durchaus bereits seine eigene Handschrift gezeigt hat. Es ist wichtig, wer in der Europäischen Kommission nach dem Rechten sieht und für bestimmte politische Anliegen kämpft. Und wir sind stolz darauf – und ich hoffe, Sie teilen mit mir diese Meinung –, daß unser österreichischer Kommissär Franz Fischler in einer internationalen Bewertung "Klassenbester" in der Kommission geworden ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Darauf kann man stolz sein, ohne von ihm zu erwarten, daß er jetzt der österreichische Botschafter in der EU ist; das ist er nicht. Er ist europäischer Politiker, aber er hat weder sein Herz noch seine Gesinnung an der europäischen Garderobe abgegeben. Und es ist wichtig –


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