Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 90

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hat dazu geführt, daß wir heute hohe Schulden und Arbeitslosigkeit haben. – Das ist also kein Ausweg.

Damit möchte ich zur Beschäftigungspolitik kommen. Sie von der Sozialdemokratischen Partei sprechen ja sehr deutlich von einer Beschäftigungsunion. Sie wollen – zumindest vermitteln Sie diesen Eindruck –, daß die Europäische Union die Beschäftigungspolitik in die Hand nimmt. (Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Falscher Eindruck!)

Herr Bundeskanzler! Sie sagen: falscher Eindruck. – Die Propaganda lautet aber nicht anders. Debattieren wir es also offen aus, und dazu sollte ja heute Gelegenheit sein. Seien Sie also nicht vorschnell, Herr Bundeskanzler, sondern hören Sie mir zu! (Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Wie lange?)

Es ist zunächst einmal zu fragen: Wie soll denn diese Beschäftigungsunion ausschauen? Was soll unter diesem Titel geführt werden? Und: Wer soll das finanzieren? Und vor allem: Was soll neues kommen?

Es gibt in sämtlichen vertraglichen Unterlagen der Europäischen Union, es gibt im Bereich der Sozialcharta, im Vertrag zur Sozialpolitik aus dem Jahre 1992 ganz klare Zielvorstellungen – und zu diesen bekennen wir uns auch. Ich frage mich nur: Was soll darüber hinaus geschehen? Wir haben Förderungen in der Europäischen Union – ich würde sagen, logischerweise – im wesentlichen für Infrastruktur, für arbeitsmarkt- sowie bildungspolitische Qualitätspolitik in den Ländern. Die Transeuropäischen Netze wurden gleichfalls von Ihnen genannt. – Alles völlig in Ordnung, und das kann dann ja auch gesteigert werden. – Das ist sicher ein Beschäftigungsimpuls, aber nur sehr punktuell, würde ich sagen. Die Frage ist: Was kann eine Europäische Union darüber hinaus tun? – Und da, so meine ich, sind Sie eine Antwort schuldig geblieben.

Denn selbst wenn wir die Förderungsmittel, die wir heute haben – Österreich hat, und zwar aus allen Töpfen, in den Jahren zwischen 1995 und 1999 insgesamt 22 Milliarden Schilling ausgeschöpft, also im Schnitt unter 5 Milliarden pro Jahr –, verdoppelten, so würde das noch immer keine Lösung des österreichischen Beschäftigungsproblems darstellen. Es wäre also noch immer keine Lösung, wenn wir sie in Vergleich setzen mit den rund 50 Milliarden Schilling, die Österreich innerstaatlich aufwenden muß, um die Probleme im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit sozialpolitisch abzudecken.

Wir sind Meinung, daß die soziale Treffsicherheit in dem einen oder anderen Bereich wesentlich erhöht werden muß; dazu stehen wir.

Daher meine ich: Unterlassen wir es, daß über diese Zielbestimmungen, über die jetzigen Förderungssysteme hinausgehend die Erwartungen erweckt wird, daß die Europäische Union unmittelbar Beschäftigung schaffen kann. – Das kann sie nicht!

Ein zweiter Punkt ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, da auch in der ÖVP von den Sozialstandards die Rede ist. Es ist ja auch gestern eine Sozialcharta der ÖVP herausgekommen, in der es ganz konkret heißt, daß diese Mindeststandards in die Außenwirtschaft einfließen sollen. – Das klingt zunächst einmal sehr, sehr gut. Ich frage mich allerdings nur, warum, Herr Vizekanzler und Exwirtschaftsminister Schüssel, österreichische Regierungsspitzen im asiatischen Raum eifrig Wirtschaftsanbahnungen betreiben, sich auch dementsprechend propagandistisch äußern, wenn wir zugleich diese Sozialstandards als außenwirtschaftliches Kriterium einführen wollen. – Ich glaube, hier ist Scheinmoral das, und davor möchte ich auch warnen. (Abg. Dr. Nowotny: Wir wollen dort etwas exportieren! Wir wollen auf fairer Basis Außenhandel betreiben! – Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. )

Völlig in Ordnung! Ist ja völlig in Ordnung, aber ich möchte an diesem Beispiel aufzeigen, daß man vorsichtig sein muß: Denn selbst wenn wir diese Sozialstandards, die auch ein Ziel des europäischen Vertragswerkes beziehungsweise des Rechtsrahmens der Europäischen Union darstellen, einführen, müssen wir uns im klaren darüber sein: Das Anheben der Mindeststandards heißt Arbeitskosten, und das belastet die Wirtschaft. (Abg. Verzetnitsch: Es geht um


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