Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 128

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Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht sehr ernst genommen. Es gibt wiederholt erhebliche Beschwerden und auch vom Arbeitsinspektorat Meldungen, daß es in dieser Branche zu massiven Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen kommt. Ich warte daher auch auf jene Unterstützung, die von den Antragstellern in der Frage der vermehrten Mitbestimmung hier artikuliert wird, und ich bin neugierig, wie weit es gelingen wird, bei den Verhandlungen mit den Kollektivvertragspartnern, aber nicht zuletzt auch beim Gesetz, die Mitbestimmungsrechte der einzelnen Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, aber auch ihrer Interessenvertretungen und der Betriebsräte so zu verbessern, daß mehr Zeitautonomie, mehr Souveränität und mehr persönliches Recht umgesetzt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum! Sie schreiben in Ihrem Antrag auch: Die völlige Abschaffung aller Ladenschlußzeitenregelungen gehört ebenso zu den unabdingbaren Rahmenbedingungen für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich wie die Flexibilisierung von Arbeitszeit und so weiter.

Ich bin nicht der Meinung, daß der Wirtschaftsstandort Österreich durch eine totale Beseitigung des Öffnungszeitengesetzes verbessert wird. Ich glaube, daß es wesentlich wichtigere Faktoren für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes gibt, wie etwa eine funktionierende Infrastruktur, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, geordnete Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeziehungen, eine gute Kooperation zwischen ansiedlungswilligen Unternehmungen und der Regierung und auch den Sozialpartnern, die Form, wie wir Lebensqualität in unserem Land leben, aber auch die Tatsache, daß wir stabile soziale Verhältnisse haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei dem Stichwort "stabile soziale Verhältnisse" ist es doch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, daß dieses auch bedeutet, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Die einzelnen Bevölkerungsgruppen sollen die unterschiedlichen Interessenslagen mit Toleranz betrachten und respektieren, und man muß auf den anderen Rücksicht nehmen und erkennen, wo Bedürfnisse vorhanden sind.

Es hat heute hier Herr Kollege Peter vom Vertrauen in die Handlungsfreiheit gesprochen und gemeint, daß es keine rechtlichen Fesselungen geben soll. Ich meine, eine Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen und wie wir sie haben wollen, muß auch Vertrauen in Solidarität haben, muß auch Vertrauen dahin gehend haben, daß die Stärkeren auf der Seite der Schwächeren sind und daß Schwächere nicht unter die Räder kommen. (Abg. Dr. Schmidt: Ja!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich meine, daß wir aufgefordert sind, dafür Sorge zu tragen, daß der Individualismus, der in unserer Gesellschaft in den letzten vierzig, fünfzig Jahren stärker geworden ist, nicht in einem schrankenlosen Egoismus endet, damit Individualismus kein Gegensatz zu Solidarität ist. (Abg. Dr. Schmidt: Genauso ist es!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte doch auch etwas zur Betroffenheit der Angestellten in dieser Branche sagen. Noch einmal auf die Arbeitszeit bezogen: Alle unsere Erhebungen zeigen, daß eine Verlängerung der Öffnungszeiten auch die individuelle Arbeitszeit betrifft. Zwei Drittel der Einzelhandelsangestellten, die Überstunden leisten, erhalten keine Überstundenzuschläge und keine entsprechende Abgeltung. Vermehrt werden Teilzeitmehrstunden geleistet, aber nicht in dem Ausmaß bezahlt, wie es auch von den Kollektivverträgen vorgesehen ist. Ein besonderes Charakteristikum dieser Branche: Abschlußarbeiten und Vorarbeiten vor und nach den Öffnungszeiten werden nicht in die normale Arbeitszeit mit eingerechnet. Daher meine ich, daß es ganz wichtig ist, daß über den Kollektivvertrag die Rahmenbedingungen so verbessert werden, daß auch die Ansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt werden können und berücksichtigt werden.

Lassen Sie mich auch ein paar Worte zu der öffentlichen Diskussion zu den Öffnungszeiten sagen. Es wird der Eindruck erweckt, daß die Bevölkerung eine schrankenlose Öffnungszeit haben möchte, rund um die Uhr einkaufen möchte. Wir haben profunde Untersuchungen und vor kurzem eine telefonische Umfrage bei Konsumenten und Handelsunternehmen und Betroffenen zu den Öffnungszeiten gemacht, und ich möchte nun ein paar Aussagen aus dieser telefonischen Umfrage zitieren: 86 Prozent der Konsumenten können mit den derzeit ange


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