Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 35

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cherungsbasis gestellt werden kann, die eben Versicherungspflicht heißt und nicht Pflichtversicherung. Das wurde hier vom Rednerpult aus schon gesagt.

Ich wundere mich, daß es zwar hier vom Pult aus gesagt wird, aber in den Arbeitsgesprächen, nämlich in den Arbeitsgesprächen des Parlaments, keinen wirklichen Platz hat. Das ist eine Entfunktionalisierung der Ausschußarbeit, und das aus dem Munde der Vorsitzenden des Sozialausschusses zu hören, ist natürlich besonders schmerzlich.

Begründung für die These, daß es noch schlechter geworden ist, als es war: Wir hatten schon in der bisherigen Regelung mehrere Gleichheitswidrigkeiten entdeckt, aber nunmehr haben wir eine weitere Gleichheitswidrigkeit beigefügt. Es gibt jetzt also zwei Typen von Gleichheitswidrigkeiten: einerseits die Gleichheitswidrigkeit wie beim Schneider, der zwei Hosen macht und zwei Sakkos, und dem Schneider, der zwei Anzüge macht – Sie erinnern sich an das sehr einprägsame Beispiel von Herrn Professor Doralt –: Er ist einmal selbständig, einmal dienstnehmerähnlich. Das ist aber natürlich gleichheitswidrig, weil einem schon der Hausverstand sagt: Es ist exakt dasselbe, was er macht, und das kann ja nicht einmal so und einmal so behandelt werden. – Das ist die Gleichheitswidrigkeit aufgrund mangelnder Rechtskenntnisse der Verfasser des Textes – Typus A.

Typus B ist die absichtliche Gleichheitswidrigkeit: zwei Geringfügigkeitsgrenzen für denselben Beschäftigungstyp. Jener Beschäftigungstyp, der zufällig unglückseligerweise in das Vertragsverhältnis des Dienstvertrages gekleidet wurde, hat die Geringfügigkeitsgrenze 3 600 S; der Dienstnehmerähnliche, der unglückseligerweise einen Werkvertrag hat – oder glücklicherweise, das können Sie sich dann aussuchen –, hat die Geringfügigkeitsgrenze 7 000 S. Das ist eine absichtliche Gleichheitswidrigkeit, und sie ist natürlich noch viel schlimmer als jene aufgrund von Unkenntnis.

Wenn jemand die Rechtsordnung nicht im Griff hat und einen legistischen Fehler macht, dann ist das schlecht genug, und das sollte zumindest hier in diesem Hohen Haus bemerkt und repariert werden – wird aber nicht stattfinden, weil das Abstimmungsverhalten feststeht –, aber die absichtliche Gleichheitswidrigkeit ist ein schwerer Fehler, nämlich ein politischer Fehler ganz anderer Dimension. Da wird den Leuten mitgeteilt, es gibt zwei Klassen mit zwei verschiedenen Geringfügigkeitsgrenzen – und das ist geradezu unerträglich.

Wenn dann als Begründung gesagt wird, es sei ein Kompromiß gewesen, dann frage ich mich: Was für ein Kompromiß? Ein Kompromiß in der Sache – oder ein Kompromiß ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Koalition? – Ich sage Ihnen: Es war ein Kompromiß ausschließlich zum zweiten Zweck. Und ich finde das ganz, ganz schlecht, weil Kompromisse, die nur mehr diesen Zweck haben, Kompromisse aus Selbstzweck also, sind genau das, was die Menschen verdrießlich macht, was sie abspenstig macht, was das Vertrauen in die Politik erschüttert. Es sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, welche Art von Kompromiß das ist! Und da mögen die 7 000 S eine für sich genommen vernünftige Geringfügigkeitsgrenze sein – aber dann bitte für alle.

Ich glaube, daß die ÖVP versucht hat, zur Wahrung eines Gesichtsviertels einen inhaltlichen Scheinkompromiß zustande zu bringen. In Wirklichkeit war es aber ein rein pragmatischer Kompromiß zur Aufrechterhaltung der Koalition.

Da nimmt es einen schon gar nicht mehr wunder, daß auch der Rechtsstaat keine besonders prominente Rolle spielt bei diesen Überlegungen. Nach derzeit geltender Rechtslage ist der 1. Oktober Termin zur Abgabe von Meldungen. Ich glaube, darüber besteht Konsens, das läßt sich im Bundesgesetzblatt nachlesen – im selben Bundesgesetzblatt, auf das wir die Bürger verweisen, wenn sie uns fragen: Wo steht denn, was rechtens ist? – Heute debattieren wir eine Änderung – und sie wird wohl beschlossen werden – des Termins auf 1. November. Der Bundesrat wird sich auch noch damit befassen müssen, dann wird es im Bundesgesetzblatt stehen, und erst ab diesem Zeitpunkt wird der Termin 1. November gelten. Das läßt sich vorhersagen, aber das ist keine Technik der Rechtsauslegung! Die Vorhersage auf wahrscheinliche Beschlüsse ist keine Technik der Rechtsauslegung.


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