Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 175

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

nicht nur kleine, sondern nennenswerte Beträge zu zahlen, damit eben für jedes Kind ein auskömmliches Existenzminimum zur Verfügung steht, für das leistungsfähige Eltern großteils oder auch zur Gänze selber aufkommen werden können, weniger leistungsfähige Eltern allerdings gar nicht. Und denen helfen diese linearen Zahlungen nichts.

Es ist ein falscher Zugang zum Gleichheitsanspruch, wenn man meint, man könne ihn damit einlösen, daß man jedem dasselbe zahlt, ohne Ansehen des Umfeldes. Wir meinen eben, daß jedes Kind dasselbe auskömmliche Existenzminimum haben sollte – unter Inanspruchnahme der Leistungsfähigkeit des Umfeldes und in zweiter Linie selbstverständlich unter Inanspruchnahme der Solidaritätsgemeinschaft.

Ich glaube, dieser Gedanke wird sich durchsetzen. Daher werden wir die heutige Abstimmungsniederlage mit Fassung tragen und unsere Initiative neu formulieren, das Gespräch neu aufnehmen. Wir haben auch bei anderer Gelegenheit gelernt: Nur wenn man ausdauernd ist in manchen Fragen, bewegt man etwas, und wir blicken Ihrem Stimmverhalten mit Traurigkeit, aber auch mit Gelassenheit entgegen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

22.38

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! – Herr Abgeordneter Kier! Sie haben schon in Ihrer Rede vom 18. April 1996 – wenn Sie mir Ihr geneigtes Ohr schenken würden, dann könnte ich Ihnen auf das, was Sie gesagt haben, antworten – beklagt, daß auf den Vorschlag des Liberalen Forums nicht eingegangen wird. Es gibt keinen Vorschlag, nur einen Antrag, der auf viele Fragen Antworten schuldig bleibt. Aber zunächst möchte ich vier Fakten voranstellen:

Faktum eins: Österreich liegt in der Familienförderung im österreichischen, nein, im europäischen Spitzenfeld. (Abg. Dr. Graf: Im österreichischen Spitzenfeld, da haben Sie recht!) Wenn Sie bei Ihrer eigenen Wortwahl immer so genau wären und sich zuhören könnten, dann würden Sie merken, daß das manchmal kabarettreif ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Faktum zwei: 1995 und 1996 waren Strukturanpassungen notwendig, und zwar wegen der Ausweitung von sozial- und familienpolitischen Maßnahmen, und der Familienlastenausgleichsfonds ist defizitär geworden. Defizit bedeutet Schulden, Schulden beim allgemeinen Budget, und Schulden müssen zurückgezahlt werden. Das heißt, daß der FLAF erhebliche Strukturprobleme hat.

Wir haben auch ein Faktum drei, nämlich den rasanten Strukturwandel der Familie. Jede dritte Ehe wird geschieden, jede fünfte Familie ist eine Alleinerzieherfamilie, und neue Familienformen entstehen. Heute steht im "Kurier", daß die Anzahl der Singles rapide wächst.

Das vierte Faktum ist, daß wir zunehmend dem Phänomen der neuen Armut gegenüberstehen. Besonders armutsgefährdet sind nach Ansicht vieler Experten Alleinerzieherinnen, Alleinverdiener mit niedrigem Einkommen und Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen. Das sind Fakten, und daraus ergibt sich schlüssig, daß ein Reform- und Regelungsbedarf im familienpolitischen Förderungswesen besteht.

Wir haben auch eine neue Situation aufgrund eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes wegen einer Beschwerde. Diese Beschwerde wird zu einer Überprüfung der steuerlichen Aspekte der Familienförderung führen, und da möchte ich einhaken. Es ist nämlich meiner Meinung nach äußerst problematisch, nur einen Aspekt, nämlich den steuerlichen Aspekt, herauszugreifen und eine Reform im steuerlichen Bereich zu fordern.

Trotz aller Reformbestrebungen muß man nämlich sagen, daß bei einer Reform alle Leistungen zu sehen sind, das gesamte Paket zu betrachten ist, nämlich alle Leistungen, die der Familie zur Verfügung stehen. Das wären Transferleistungen, steuerliche Maßnahmen, Leistungen der


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite