Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 27

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11.57

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst zum Abgeordneten Kier noch eine Bemerkung machen zu der Frage Pflichtversicherung – Pflicht zur Versicherung. Ich halte das insofern für eine gefährliche Diskussion, weil ich davon ausgehe, daß die Sozialversicherungen ein Band sind, das uns gesellschaftlich zusammenhält. Und ich verstehe unter liberalen Forderungen, daß man letztendlich all diese Bänder, Herr Abgeordneter, in Frage stellt. Ich halte das – wenn man sich ansieht, wo es das gibt – für insofern gefährlich, weil es ein weiterer Schritt in Richtung Auseinanderreißen unserer Gesellschaft ist und letztendlich ein stärkeres Auseinanderdividieren ermöglicht. Die gewissen solidarischen Bänder gewährleisten, daß diese Gesellschaft eine ist, in der es eben nicht dieses Auseinanderreißen der Gesellschaft gibt, und ich glaube, daß das auch für Besserverdienende eine Lebensqualität darstellt, die dann nicht mehr gewährleistet wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte das wirklich für eine sehr problematische Darstellung. Liberalität in allen Bereichen – ich verstehe, daß Sie das fordern, ich glaube aber, daß Liberalität, die Freiheit jedes einzelnen, dort Grenzen hat, wo es die Notwendigkeit von Solidarität einer Gemeinschaft gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zu der Frage "Beschäftigungspolitik" folgendes sagen: Erfolgreiche Beschäftigungspolitik bedeutet heute nicht mehr nur ein Instrument, und das ist erfolgreich, sondern es bedeutet das Zusammenspiel von mehreren Instrumenten. Und da geht es, glaube ich, zum ersten darum, daß man sich weiter zu traditioneller Beschäftigungspolitik bekennt. Im Gegensatz zum Kollegen Öllinger bin ich der Meinung, daß sehr wohl Investitionen in die Infrastruktur Sinn machen, sehr wohl Beschäftigung schaffen. Investitionen in die Telekommunikation in unserem Land sind sinnvoll, weil sie zum einen Beschäftigung sichern, zum anderen aber auch dazu führen, daß der Standort Österreich, was die Frage der medialen Möglichkeiten betrifft, weiterhin positiv ist, und das ist eine wichtige Voraussetzung für Investitionen in unserem Land. Das ist eine wichtige Frage, und daher kann traditionelle Beschäftigungspolitik nie obsolet sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Daneben muß es aber auch andere Bereiche geben. In einem Land, in dem 40 Prozent dessen, was hier erzeugt wird, nicht in diesem Land bleibt, sondern auf einen internationalen Markt geht, bedeutet das, daß man mit internationalen Rahmenbedingungen konfrontiert ist und darauf reagieren muß.

Nun sehe ich, daß nationale Spielräume in diesem Bereich zurückgehen, und wir müssen diese Spielräume auf internationaler Ebene zurückgewinnen. Das ist für mich ein Grund, warum ich für den Beitritt zur Europäischen Union war, nämlich um zu erreichen, daß 15 entwickelte Industriestaaten eine viel stärkere Stimme haben als eine Nation. Es geht beispielsweise darum – und das wurde schon vom Abgeordneten Nowotny gesagt –, im internationalen Welthandel soziale und umweltrelevante Mindeststandards durchzusetzen, um letztendlich Dumping zu vermeiden.

Nächster Bereich: Natürlich bleibt uns weiter nationaler Spielraum, der auch weiter nationale Kompetenz ist, wo es auch darum geht, weiter nationale Regelungen zu finden. Wir müssen auf veränderte Entwicklungen reagieren. Beispielsweise genügt es nicht, daß wir ausgebildet werden, danach arbeiten und dann in Pension gehen, sondern es wird verstärkt notwendig sein, lebensbegleitendes Lernen vorzusehen. Das erfordert sicherlich eine Umstellung des Schulsystems, vor allem aber auch eine Umstellung, was die Frage der Möglichkeiten jedes einzelnen betrifft, sich zusätzliche Bildung anzueignen. Ich persönlich bin der Meinung, daß Bildungskarenz eine wichtige Voraussetzung ist, um dieser Qualifikationsnotwendigkeit gerecht zu werden. Wenn man sich ansieht, wer heute arbeitslos ist, dann kann man vereinfacht sagen: Je schlechter man ausgebildet ist, desto eher ist die Gefahr gegeben, daß man arbeitslos wird. Das heißt, Bildung ist eine wichtige Voraussetzung, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind momentan konfrontiert mit einer rasch wachsenden Nachfrage im Bereich der Dienstleistungen. Unser Problem ist, daß das in westlichen Industriegesellschaften sehr stark öffentlich


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