Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 55

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daß wir kein Kind in Not und im Stich lassen wollen. Es geht um die existentielle Absicherung von Kindern, um die Herstellung von Chancengerechtigkeit und selbstverständlich auch um einen vertikalen Ausgleich. (Beifall beim Liberalen Forum. )

Wenn Sie sich die Zahlen vergegenwärtigen, Herr Kollege Höchtl, die Zahlen, die Sie dieser Studie entnehmen können, dann sehen Sie, daß sich auf die Einkommensdrittel – unteres, mittleres, oberes Einkommensdrittel – die Kinderzahlen ungefähr verteilen wie 22 : 48 : 30 Prozent. 22 Prozent der Kinder befinden sich im Lebenszusammenhang unteres Einkommensdrittel, ungefähr 48 Prozent der Kinder befinden sich im Familienzusammenhang mittleres und ungefähr 30 Prozent der Kinder befinden sich im Lebenszusammenhang oberes Einkommensdrittel. Das ist eindeutig ablesbar aus der prozentuellen Verteilung der Effekte des Mutter-Kind-Passes, denn das ist die Startsituation, und da wirkt sich nur die Kopfzahl der Kinder auf die Statistik aus, weil wir hier linear verteilen.

Wenn Sie sich die Familienbeihilfen anschauen, dann sehen Sie, daß 17 Prozent der Familienbeihilfen in das untere Drittel gehen, 37 Prozent ins mittlere und 45,5 ins obere – nicht nur wegen der "Linearität", sondern auch wegen der längeren Verweildauer der Kinder aus den höheren Einkommensschichten in unseren kostenlosen Bildungssystemen, was gleichzeitig zur Folge hat, daß für Kinder aus mittleren und aus höheren Einkommensbereichen wesentlich länger und nachhaltiger Familienbeihilfe gezahlt wird.

Genau das ist ein Doppelverstärker für die Chancenungleichheit. Es hat ja seine Gründe, warum sich die Kinder aus den unteren Einkommensdritteln weniger lang im Bildungssystem aufhalten – einerseits vielleicht, weil wir in der Aufklärungsarbeit noch einiges tun müssen, um den Leuten klarzumachen, daß eine gute Grund- und Fachausbildung etwas Wichtiges ist, andererseits aber, weil es sich bestimmte Familien gar nicht leisten können, ihre Kinder auf die AHS oder die BHS oder auf eine vergleichbare Fachschule zu schicken, und daher frühzeitig aussteigen müssen aus dem, was wir ihnen an linearen Transfers anbieten.

Da haben Sie den nächsten negativen Lenkungseffekt in dem System, und deswegen verteilt das Ganze im übrigen auch so dramatisch von unten nach oben um, denn wenn jemand länger im System Nutznießer ist – diese Zeitkomponente ist halt auch wichtig –, dann hat er mehr davon.

Bei den Schulbüchern derselbe prozentuelle Befund: 13 Prozent im unteren, 35 Prozent im mittleren, 51 Prozent im oberen Einkommensdrittel. Bei den Schülerfreifahrten dieselbe Situation: 16 Prozent im unteren, 35 im mittleren und 48 Prozent im oberen Einkommensdrittel – obwohl sich die Kinder verteilen wie 2 : 5 : 3, also 22 : 48 : 30 Prozent.

Sie sehen also, unser System der Familienförderung hat nicht nur die Komponente der Linearität und daher der "Gießkanne" – mein Kollege Haselsteiner hat im Gesamtzusammenhang schon deutlich gemacht, warum die "Gießkanne" zwangsläufig zur Dislokation von knappen finanziellen Ressourcen führt –, sondern es hat auch noch einen strukturkonservativen Verstärker eingebaut, einen, der dem Innovationspotential, dem Kreativitätspotential, dem Potential an Möglichkeiten von neuen Ideen von Kindern, die aus dem unteren Einkommensdrittel stammen, einfach nicht dieselben Entfaltungsmöglichkeiten gibt.

Wenn man nicht der Meinung ist – und wir sind nicht dieser Meinung –, daß die Herkunft ein Beweis für höhere Intelligenz oder Leistungsfähigkeit ist, sondern daß jeder Mensch, wenn er auf die Welt kommt, mit grundsätzlich denselben Chancen ausgestattet sein soll, daß man ihn daher begleiten muß, ihm helfen muß bei der Emanzipation auch im Bildungsbereich, dann sehen Sie, daß wir ein ganzes Potential brachliegen lassen, dem wir nicht die Chance geben, in der Folge so erwachsen zu sein, frei zu entscheiden und am Gemeinwesen mitwirken zu können. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das gefällt uns nicht!) – Das gefällt uns nicht. (Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Daher bitte ich Sie noch einmal: Nehmen Sie unseren Vorschlag zur Neugestaltung der finanziellen Transfers im Familienbereich ernst!


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