Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 83

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Ein zweiter Punkt: Hohes Haus! Es liegt zwar die Umverteilungsstudie vor – sie behandelt insbesondere die Umverteilungswirkung durch die Haushalte der öffentlichen Hand –, Sie sollten aber beachten, daß die Verteilungswirkung durch die Wirtschaftspolitik viel gravierendere Folgen hat. Ich sehe eine große Bedrohung einer gerechten Einkommensverteilung in Europa in Zukunft insbesondere dadurch, daß die Geldpolitik und der Versuch, Maastricht-Bestimmungen einzuhalten, im Vordergrund stehen und die Beschäftigungspolitik in den Hintergrund gerückt wird. Es ist daher sehr wichtig, daß der Finanzminister und der Bundeskanzler immer wieder Bemühungen setzen, die Beschäftigungspolitik in den Vordergrund zu rücken, denn nur durch eine vernünftige Beschäftigungspolitik und nicht durch eine Orientierung in Richtung Geldwertstabilität allein kann die Verteilungsgerechtigkeit in Europa aufrechterhalten werden.

Es ist ganz einfach so, daß die Prognose der Wachstumsrate langfristig gesehen bei 2 Prozent liegt, daß die Produktivität rascher steigen wird als das Wachstum und daher Arbeitslosigkeit entstehen muß, wenn die Arbeit weiterhin ungleichmäßig verteilt wird. Wenn es Arbeitslosigkeit gibt und kritisiert wird, daß die Arbeitslosen entsprechend unterstützt werden, dann zwingt man sie eigentlich dazu, zu allen Bedingungen zu arbeiten. Und wenn Arbeitslose gezwungen werden, zu allen Bedingungen zu arbeiten, ruiniert das in Wahrheit das Lohn- und Gehaltsniveau. In Summe nennt man das dann Job-Wunder à la USA.

In den USA sind die Reallöhne von 80 Prozent der Arbeitskräfte in den letzten 20 Jahren um jährlich 1 Prozent gesunken. Der Faktor zwischen dem untersten Zehntel des Einkommens und dem obersten Zehntel des Einkommens liegt dort bei 6 – das bedeutet das Sechsfache –, bei uns liegt dieser Faktor bei 3. Der Lebensstandard des unteren Zehntels der Einkommensbezieher ist in den USA halb so hoch wie etwa in Deutschland und in Österreich.

Die Sozialleistungen – das ist die Antwort – müssen also einen Standard haben, der es Arbeitslosen ermöglicht, nicht zu allen Bedingungen Arbeit anzunehmen. Das ist gerecht und verursacht auch keinen Druck auf das Lohn- und Gehaltsniveau.

Es muß zweitens in der EU Beschäftigungspolitik betrieben werden, um wieder höhere Wachstumsraten zu ermöglichen und dadurch zu einer besseren Einkommensverteilung zu kommen. Längerfristig wird es auch notwendig sein, die Arbeit gerechter zu verteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Es gibt zwei Entschließungsanträge, die Mitglieder der grünen Fraktion eingebracht haben. Einer dieser Entschließungsanträge betrifft einen Bericht über die Entwicklung des Arbeitslosenversicherungssystems. Wir werden diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen, da durch die Ausnützung der neuen Geschäftsordnung im Rahmen einer allgemeinen Aussprache jederzeit verlangt werden kann, daß dieses Thema im Ausschuß sehr eingehend behandelt wird. Ich nehme an, daß unsere Abgeordneten des Sozialausschusses dieses Thema im Ausschuß auch tatsächlich aufs Tapet bringen werden.

Der zweite Entschließungsantrag betrifft die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Frauen mit Betreuungspflichten. Da gibt es tatsächlich in der Beschreibung und im Tenor ein Problem, das sehr ernst ist, nämlich die Notstandshilfebezieherinnen betreffend. Es ist tatsächlich so, daß es da häufig Probleme gibt, weil die Arbeitsämter gezwungen sind, die Bestätigungen der Gemeinden über die Möglichkeit von Kinderbetreuung zu akzeptieren, es aber oft sehr einseitige Bestätigungen gibt, da die Gemeinden geneigt sind, auch Betreuungsmöglichkeiten anzugeben, die in der Qualität oft nicht ausreichend sind, um keinen Kostenbeitrag leisten zu müssen. Wir haben im Rahmen der Arbeiterkammer Niederösterreich diesbezüglich sehr viele negative Fälle erlebt, die aber in Gesprächen mit dem Arbeitsamt ausgemerzt werden konnten.

Es kann nicht sein, daß die soziale Absicherung für Personen mit Betreuungspflichten aus der Arbeitslosenversicherung allein finanziert wird, daher werden wir auch diesen Entschließungsantrag ablehnen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05


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