Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 23

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Herr Bundesminister, ich weiß, daß das eines Ihrer zentralen Argumente ist, deswegen konzentriere ich mich auf die befürchteten Positionen des EuGH: Es sei der horizontalen Gerechtigkeit nicht dienlich, wenn wir sozial gestaffelte Auszahlungsformen einführen, das ist schon von der Wurzel der Finanzierung her falsch. Denn wenn es tatsächlich um horizontale Gerechtigkeit ginge, dann könnte man nicht die Hauptlast der Finanzierung ausschließlich auf Lohnnebenkosten stützen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was die Zuflüsse in den Fonds anlangt, lassen Sie damit nämlich alle sonstigen Erwerbseinkommen in der prinzipiellen Säule der Finanzierung gänzlich außer Betracht. Ich stelle das nicht deswegen an die Spitze, weil es das Anliegen unseres Modells ist, sondern weil ich weiß, daß sich der Bundesminister für Finanzen zuviel Sorgen macht, was die Verfassungskonformität einer Neugestaltung anlangt, die auf soziale Gerechtigkeit abzielt.

Jetzt wende ich mich den Reformzielen zu. Herr Bundesminister! Wir haben ein Modell entwickelt, das folgende wesentliche Ziele im Auge hat: Wir wollen soziale Ausgewogenheit bei finanziellen Zuwendungen für Kinder. Wir wollen ein subsidiäres System, das heißt, wir wollen die unterhaltspflichtigen Eltern nicht aus ihrer Pflicht entlassen, sondern sie im Ausmaß ihrer Leistungsfähigkeit dazu heranziehen. Wir sind der Meinung, es ist ein wesentliches Element der Eigenverantwortung, daß man, wenn man Kinder in die Welt setzt, auch weiß, welche Pflichten man damit auf sich nimmt. Solange diese Pflichten im Rahmen einer bestimmten Leistungsfähigkeit auch geleistet werden können, so lange sind die Eltern in die Pflicht zu nehmen.

Wenn aber Unterhaltspflichtige aufgrund ihrer eigenen wirtschaftlichen und sozialen Situation nicht in der Lage sind, einen auskömmlichen Unterhalt für ihre Kinder aufzubringen, dann ist die Solidarität aller gefordert, dann ist mit Familienbeihilfen, die die Kinder unterstützen sollen, einzuspringen.

Ein weiteres wesentliches Reformziel: Wir dürfen keiner Reform zustimmen, die den Grundsatz der Individualbesteuerung aufgibt. Dies zu tun, wäre ein ganz billiger und leichter Weg für jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die über angemessene und hohe Einkommen verfügen, das Problem zur Gänze zu eliminieren. Und das würde gleichzeitig bedeuten, daß dort, wo soziale Probleme herrschen, wo auch das Familieneinkommen, selbst wenn man es addiert, trotzdem noch sehr klein und übersichtlich bleibt, erst recht wieder keine Wirkung erzielt würde. Außerdem hätten wir einen schweren antiemanzipatorischen Fehler gemacht. Wir würden nämlich eine Besteuerung einführen, die letztlich bedeutet: Frauen zurück an den Herd! Ein solches Modell ist allein aus diesem Grund nicht akzeptabel. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn man sich jetzt die Argumentation rund um die angebliche Verfassungswidrigkeit eines sozial ausgewogenen Familienbeihilfenmodelles, das die Kinder in den Mittelpunkt stellt, ansieht, merkt man, daß die Wurzel der Argumentation unser konservatives Unterhaltsrecht ist, und zwar in seiner Philosophie aus dem 19. Jahrhundert.

Wir müssen einfach begreifen, daß wir die Kinder, wenn wir sie wirklich in den Mittelpunkt stellen, nicht hilflos in der Situation zurücklassen dürfen, in der sie sich zufällig befinden. Kinder sind naturgemäß hilflos: Sie werden nämlich in einen sozialen Zusammenhang hineingeboren, den sie sich nicht selber aussuchen, sondern den ihre Eltern bestimmen.

Daher meinen wir Liberalen, daß das Unterhaltsrecht jener Bereich ist, in dem Reformen notwendig sind. Wir müssen begreifen, daß die horizontale Gerechtigkeit in erster Linie durch dieses Gesamtsystem unserer Familienpolitik zu leisten ist.

Es ist auch wichtig anzumerken, daß es Waisenkinder gibt, für die – und das ist etwas, was die Konservativen nicht begreifen – horizontale Gerechtigkeit überhaupt nicht existiert: Ein Waisenkind hat nichts davon, daß irgend jemand etwas steuerlich absetzen kann. Für ein Waisenkind ist niemand unterhaltspflichtig. In unserem Modell aber wäre ein Waisenkind voll in der Existenz – über die Beihilfen eben – abgesichert.

Ein weiterer Vorteil unserer Überlegungen wäre – Herr Bundesminister, ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen –, daß – und das wäre administrativ viel einfacher, wir könnten alles über die


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