Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 38

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Umstand, daß die Anregungen zu derartigen Debatten immer ganz stark von seiten der Liberalen kommen. Und das ist ein Umstand, den ich eigentlich nicht wirklich verstehen kann.

Das größte Manko an der Familienförderung ist, daß wir eine Familienförderung haben und keine Kinderförderung, keine Jugendförderung, keine Förderung einzelner Menschen, die gesellschaftliche Solidarität brauchen. Der Begriff "Familienförderung" und das, was Sie daraus gemacht haben, indem Sie Verschlechterungen im Bereich der Karenzregelungen und Verschlechterungen im Bereich des Kindergeldes eingeführt haben, ist Ausdruck jener Ideologie, die einzelne Menschen in ihrer Bedeutung herabsetzt, patriarchalische Abhängigkeiten verstärkt und sich von einem modernen sozialrechtlichen Prinzip, bei dem wir fragen, welcher Mensch die gesellschaftliche Solidarität braucht, abkehrt.

Es sind nicht Familien arm oder reich, es haben nicht Familien ein hohes Einkommen oder ein hohes Vermögen, und es studieren auch keine Familien, sondern meistens sind es Männer in Familien, die reich sind, die viel Vermögen haben, und es sind Kinder, die studieren. Aber durch diesen schwammigen Begriff "Familie" wird alles in einen Topf geworfen, und die einen haben zuviel und die anderen bekommen zuwenig. Das ist der Ausdruck dieses ideologischen Gebildes. (Beifall bei den Grünen.)

Warum läuft es immer nur auf eine Unterdrückung junger Menschen hinaus? Warum sollen diese immer vom Einkommen ihrer Eltern abhängig etwas bekommen – oder eben nicht? Ist es nicht so, daß praktisch alle Schülerinnen und Schüler kein eigenes Einkommen haben können? Ist es nicht so, daß die meisten Studierenden – wenn überhaupt – nur schlecht bezahlte Jobs annehmen können? Sie sind daher förderungswürdig. Gerade wir sollten doch Interesse daran haben, daß möglichst viele junge Menschen eine gute Ausbildung erhalten.

Frau Abgeordnete Motter! Es ist nicht zutreffend, daß der freie Hochschulzugang umverteilend von unten nach oben wirkt. Das Gegenteil ist der Fall! Ich gebe Ihnen dann gerne die entsprechenden detaillierten Unterlagen.

Meine Damen und Herren! Wer käme auf die Idee, einem alten Menschen die Ausgleichszulage streitig zu machen, nur weil er oder sie gut verdienende Kinder hat? Wer käme auf die Idee, einem behinderten Menschen das Pflegegeld streitig zu machen, nur weil er oder sie relativ gutgestellte Angehörige hat? – Nur: Bei den Kindern kommen Sie aber auf diese Idee. (Abg. Mag. Stadler: Die Regierung kommt auf diese Idee!) Ja, die Regierung kommt auf so manche schlechte Idee. – Bei den Kindern heißt es immer: Kann sich die Familie das leisten oder nicht? – Meine Damen und Herren! Die Kinder können sich das nicht leisten, daß wir Ihnen keine Solidarität geben. Nicht der Herr Vater oder die Frau Mutter braucht die Solidarität in erster Linie, sondern die Kinder brauchen diese. Daher sind Ansätze, wie sie etwa von den Liberalen kommen, bei welchen das Einkommen der biologischen Eltern zusammengerechnet wird, letztlich patriarchalische Modelle. Diese Modelle bedeuten einen gesellschaftspolitischen Rückschritt, denn sie basieren auf der Unterhaltspflicht, die wir letztlich eher in Frage stellen sollten. Wir sollten uns vielmehr einsetzen für einen eigenständigen Anspruch junger Menschen. (Zwischenruf der Abg. Motter. )

Junge Menschen, Frau Abgeordnete Motter, sind diskriminiert. Wir sollten sie fördern – und nicht ihre Eltern. Gerechtigkeit können Sie nur über das Steuersystem erzielen. Derartige Anträge sind ein Feigenblatt dafür, daß wir eine sehr ungerechte Besteuerung haben.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen erstens eine Ökologisierung im Steuersystem, und wir brauchen zweitens endlich eine gerechte Besteuerung der wirklich rapide, explosionsartig anwachsenden Vermögenseinkünfte; damit meine ich nicht das kleine Sparbuch, damit meine ich nicht die selbstbewohnte Eigentumswohnung oder den kleinen landwirtschaftlichen Besitz, sondern damit meine ich die großen, spekulativ gehaltenen Kapitalien, die in Österreich – auch gegenüber dem benachbarten Ausland – extrem privilegiert sind. Da sollten Sie Gerechtigkeit walten lassen – und nicht durch ein Zusammenrechnen von Menschen in einem sehr nebulosen Familienbegriff.


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