Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 66

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über die gesellschaftspolitisch so eminent zentrale Frage der Abschaffung der §§ 209, 220 und 221 Strafgesetzbuch geredet wird.

Ich möchte mich im folgenden nur noch damit auseinandersetzen, denn wir stimmen den anderen Bestimmungen zu. Das wirklich zentrale Thema ist heute: Wie gehen wir mit diesen Verhältnissen, die wir in Österreich in bezug auf diese – zugegebenermaßen kleine – Gruppe haben, um?

Es wird hier als Gegenargument immer wieder angeführt, daß es doch um den Schutz von Jugendlichen geht und deshalb der § 209 Strafgesetzbuch unverzichtbar ist. Es ist sowohl vom Herrn Justizminister als auch von meinen Vorrednern pauschal schon angeschnitten worden, daß es dafür andere Schutzbestimmungen gibt. Ich möchte Ihnen der Vollständigkeit halber nur sagen, welche anderen Bestimmungen das sind.

Es ist nicht so, daß nur irgendwo versteckt ein Halbsatz existiert, mit dem man diesen Schutz gewährleistet, sondern es gibt zum Schutz von weiblichen und männlichen Jugendlichen vor sexueller Belästigung den § 201 Strafgesetzbuch, in dem es um die Vergewaltigung geht, es gibt den § 202, in dem es um die geschlechtliche Nötigung geht, den § 205, in dem es um die Schändung geht, den § 206, in dem es um den Beischlaf mit Unmündigen geht, den § 207, in dem es um die Unzucht mit Unmündigen geht, den § 212, in dem es um den Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses geht, und den § 213, in dem es um Kuppelei geht.

Da geht es um Strafandrohungen, meine Damen und Herren, die kein Klacks sind. Das geht von 3 Jahren über 10, 15, ja sogar bis 20 Jahre. Ich meine daher, es ist einfach sachlich nicht richtig, zu sagen, daß der Schutz von Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen, vor sexueller Belästigung ausschließlich am § 209 Strafgesetzbuch hängt. Dieser Schutz hängt nicht einmal mehr im mindesten daran, sondern das ist eine Sonderbestimmung, die für männliche Homosexuelle gemacht worden ist.

Eigentlich muß man, wenn man fair über diese Problematik diskutiert, auch noch darüber reden, warum man bisher den Frauen diesen angeblich notwendigen Schutz, den Sie, Frau Abgeordnete Fekter, offensichtlich gemeint haben, nicht zuerkannt hat. Frauen werden in ihrer Sexualität anscheinend nicht ernst genommen, Frauen sind anscheinend ab 14 Jahren nicht zu schützen, sie sind – das sage ich jetzt bewußt polemisch – Freiwild. – So kann es doch nicht sein!

Daher glaube ich, daß wir uns ganz einfach dem Umstand stellen müssen, daß es hier wirklich um Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz, schlicht und einfach um Fragen der Gleichberechtigung geht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein bereits angesprochenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zitieren. Es ist am 3. Oktober 1989 gefaßt worden. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Begründung sehr klar und deutlich ausgeführt, daß "bei der Beurteilung dieser Schutzbedürftigkeit" – von der wir die ganze Zeit jetzt reden – "von einer weithin bestehenden, deutlichen und vielfältigen gesellschaftlichen Diskriminierung von Homosexuellen auszugehen ist, die aufgrund der in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen für die Betroffenen zu einer Vielzahl von Schwierigkeiten und Konflikten führen muß."

Meine Damen und Herren! Eine der Folgen dieser Mißachtung von homosexuellen Menschen in Österreich ist, daß es unter homosexuellen Jugendlichen eine besonders hohe Selbstmordrate gibt. Die Abschaffung des § 209 soll verhindern, daß sich Jugendliche in Zukunft für unwert halten, weil sie – ich sage das ganz bewußt – homosexuell lieben, daß sie sich als unwert, vielleicht sogar als nutzlos oder abartig empfinden und vielleicht deshalb auf den völlig abstrusen Gedanken kommen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, weil sie ihre Lage einfach als aussichtslos betrachten, weil sie nicht mehr wissen, was sie tun sollen, und weil sie sich auch an niemanden wenden können. In Wahrheit treiben wir damit Menschen an den Rand der Gesellschaft, wir drängen sie an die Wand, wir bringen sie dazu, Handlungen zu setzen, die niemand – wirklich niemand! – in diesem Hause wünschen kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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