Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 43

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Da war die Rede von – ich zitiere – "Depperten", die man jetzt in die AHS aufnehmen werde, und das ging bis hin zur durchaus nachvollziehbaren und verständlichen Frage und Sorge mancher Eltern: Wird jetzt mein Kind, wenn es gemeinsam mit geistig behinderten Kindern in der Klasse sitzt, in seinen Lernprozessen gestört werden, werden seine Lernprozesse nicht so wie üblich verlaufen?

Trotzdem haben eigentlich alle Redner, die bisher an diesem Rednerpult gestanden sind und sich zur Integration geäußert haben, ein grundsätzliches Ja zur Integration gesagt, und das erwarte ich mir auch von den Grünen, die ja noch zu Wort kommen werden.

Die Diskussion hat sich nach meinem Verständnis auf alle Fälle gelohnt. Auch wenn heute die eine oder andere politische Gruppierung zu diesem Gesetz nicht ja sagen wird, so ist ein Schritt in eine ganz wesentliche Richtung gelungen. Mich erinnert die Diskussion, die wir heute und in den vergangenen Wochen erlebt haben, ganz deutlich an jene, die wir vor etwa vier Jahren hier geführt haben, als wir den Beschluß gefaßt haben, Integration in der Grundschule umzusetzen.

Wenn man heute die Integrationsklassen der Grundschule näher betrachtet, kann man mit gutem Gewissen sagen, daß das Engagement der Lehrer, die Zusammenarbeit mit den Sonderpädagogen, die Förderung durch Schulaufsicht und Schulleitung und selbstverständlich das Engagement der Eltern die Integration im Grundschulbereich zu einem fixen Bestandteil unseres Schulwesens gemacht haben. Ich möchte hier und jetzt den Lehrerinnen und Lehrern und allen, die geholfen waren, diese Idee im Grundschulbereich umzusetzen, ein aufrichtiges Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Selbstverständlich wird der weitere Weg im Bereich der Hauptschule und der Unterstufe der AHS wiederum steinig und mühselig sein. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, uns liegen – und das ist nicht zu übersehen – heute, nach mehr als zehnjähriger Versuchsarbeit in den Volksschulen und in den weiterführenden Schulen, herzeigbare Ergebnisse und Erkenntnisse vor, die deutlich nachweisen: Alle beteiligten Schülerinnen und Schüler, die in Integrationsklassen sitzen, profitieren davon, und das nicht nur im sozialen Bereich, sondern selbstverständlich auch im kognitiven Bereich, denn Nachahmungslernen und viele andere methodische Konzepte, die eingesetzt werden, sind beziehungsweise werden da wirksam.

Es gibt in allen Schularten und in allen Schultypen Lehrer, die Integration wollen und die Integration durchführen, aber es sind insbesondere diese Integrationslehrer, die erkannt haben, daß es nicht so sehr das Problem der Behinderung ist, das uns beschäftigt, sondern viel mehr das Problem, in welcher Qualität wir die Beziehungen zu behinderten Menschen aufbauen. Eine öffentliche und teilweise sehr oberflächlich geführte Abqualifizierung dieses Reformvorhabens nützt niemandem, am allerwenigsten nützt es den betroffenen Schülerinnen und Schülern.

Damit letztendlich wirklich alle betroffenen Schülergruppen von Integration profitieren können, müssen wir uns in der relativ kurzen Zeit, die bis zum September 1997 noch vor uns liegt, darum bemühen, möglichst günstige Startvoraussetzungen für den Herbst zu schaffen. Dazu gehört eine solide und umfassende Information über die breite Palette der Möglichkeiten sonderpädagogischer Betreuung und Integration. Ich weiß, daß seitens des Ministeriums diesbezüglich bereits Vorarbeiten in Angriff genommen werden.

Es ist ganz, ganz wichtig, ein starkes Signal in Richtung Lehreraus- und -fortbildung zu senden, denn da stellt sich ein Problem: Es ist natürlich erforderlich, Unterrichtsmaterialien rechtzeitig zu entwickeln und jenen Schulen, in denen Integration stattfinden wird, zu präsentieren, damit vom ersten Tag an – auch in der didaktischen Umsetzung dieses Vorhabens – entsprechende Möglichkeiten gegeben sind.

Frau Kollegin Schaffenrath und Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie haben gemeint, daß unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die das Gesetz hier vorsieht, Integration nicht richtig funktionieren kann. Ich weiß aus jahrzehntelangen Erfahrungen mit Schulentwicklung und mit Schulreformmaßnahmen, daß es wichtig ist, auch entsprechende Voraussetzungen zu schaffen – sowohl ressourcenartiger als auch personeller Natur –, und es ist gar keine Frage, daß ein Mindeststandard vorhanden sein muß.


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