Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 106

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Hohes Haus! Auch wenn fast zwei Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union einen relativ kurzen Zeitraum darstellen, sei dennoch eine vorläufige Bilanz versucht. Zunächst ist wohl einzuräumen, daß uns deutlich vor Augen geführt wurde, wie ambitioniert unser Anliegen ist. Das Bilden von "kritischen" Koalitionen auch mit Staaten, welche die österreichischen Intentionen weitgehend teilen, hat sich als außerordentlich schwierig und aufwendig herausgestellt. Dazu kommt, daß sich Österreich als neues Mitglied und als kleiner Staat auf informeller Ebene im Vergleich zu großen Mitgliedstaaten in einer ungünstigeren Position befindet. Es erscheint jedoch berechtigt – und ich halte das nochmals fest –, daß sich Österreich substantielle Anerkennung als fachlich kompetenter und konsequenter Verhandlungspartner erworben hat.

Dies bedeutet natürlich nicht, daß Österreich seine Standpunkte mehrheitlich umsetzen konnte, da sich andere Mitgliedstaaten nicht scheuen, die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zur Umsetzung ihrer Interessen auch mit gebührendem Nachdruck einzusetzen.

Dennoch konnte Österreich so manche Diskussionen und Entscheidungen auf europäischer Ebene nachhaltig beeinflussen. Erwähnt seien hier – ohne Gewichtung – die Verabschiedung der neuen TACIS-Verordnung, die Berücksichtigung von nuklearer Sicherheit als einem wesentlichen Aspekt der Vor- und Beitrittsstrategien für die mittel- und osteuropäischen Länder, die Diskussion um Art und Ausmaß einer Mitwirkung der Europäischen Union an KEDO, die Diskussion hinsichtlich der gemeinschaftlichen Nuklearforschung sowohl bezüglich der geplanten Aufstockung des 4. Rahmenprogrammes für Forschung und technologische Entwicklung als auch bezüglich der Konzeption des 5. Rahmenprogrammes, der Bereich technischer Hilfe im Nuklearsektor, insbesondere im Rahmen von PHARE und TACIS, und vor allem die Auswirkungen der österreichischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der geplanten Finanzierung der Fertigstellung des AKW Mochovce.

Gerade in diesem Fall war Österreich gefordert, als "Neuling" – noch ohne tiefgreifende Kenntnisse der informellen Strukturen und Entscheidungsprozesse der Europäischen Union – seinem Standpunkt angemessenes Gehör zu verschaffen. Dies ist wohl in einem unerwartet hohen Maße gelungen.

Die einzelnen Fragen, meine Damen und Herren, beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Ich habe in meiner Funktion als Bundeskanzler der Republik den Kampf gegen die Atomkraft in Europa – sowohl im Westen als auch im Osten – seit Beginn meiner Amtstätigkeit zu einem auch persönlichen Anliegen gemacht. Wenngleich der Zugang zu diesem Thema und das Engagement, mit dem es verfolgt wird, bei unserem Koalitionspartner einer "Aufwärmphase" bedurften (Heiterkeit bei den Freiheitlichen) – ich entsinne mich einer wenig schmeichelhaften Kommentierung der Washington-Reise von Universitätsprofessor Dr. Heindler bezüglich des AKW Temelin durch den damaligen Vizekanzler Dr. Busek –, so habe ich heute doch keine Zweifel an der Einheitlichkeit der Regierungslinie.

Die Anfragesteller haben in ihrer Begründung selbst auf die gemeinsamen Beschlußfassungen und Willenskundgebungen der Bundesregierung hingewiesen, vom Regierungsübereinkommen bis zum Energiebericht. Wie ich bereits einleitend ausgeführt habe, sehe ich keine Anzeichen dafür, daß sich der Koalitionspartner von diesem Konsens zu entfernen wünscht.

Zur Frage 3:

Ich bin überzeugt davon, daß diese Glaubwürdigkeit angesichts der vielfältigen Aktivitäten der Bundesregierung in hohem Maße gegeben ist und durch das Abstimmungsverhalten der genannten Abgeordneten zum Europäischen Parlament, die – ich betone es nochmals – in Ausübung ihres freien Mandats handelten, keinen Abbruch erlitten hat.

Zur Frage 4:

Zunächst ist richtigzustellen, daß der österreichische Vorschlag im Sinne einer umweltverträglichen Entwicklung, wie sie im Artikel 2 des EG-Vertrages genannt wird, auch den langfristigen


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