Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 77

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

reguliert werden muß; ja sogar mehr zu regulieren, als reguliert werden sollte. Die Philosophie der Bestimmungen, die hier eingeführt werden, ist geradezu erstaunlich, da man bedenken muß, daß es sich dabei um Bereiche des dispositiven Arbeitsrechtes handelt.

Durch die Paragraphen, die heute zur Abstimmung kommen, wird nämlich folgende Paradoxie herbeigeführt: Es wird zunächst ausdrücklich verboten, daß an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen nachmittags gearbeitet wird – das ist sozusagen die sozialpartnerschaftliche Flanke zu den drohenden Ladenöffnungszeiten; "drohend" aus der Sicht der Sozialpartnerschaft. – Es wird also vorsichtshalber einmal verboten.

Dann werden Ausnahmen definiert, und zwar zum Beispiel betreffend die Verkaufstätigkeit an den letzten vier Samstagen vor dem 24. Dezember. – Man kann sagen, das sei interessant, aber das ist ja jetzt schon so und wird jetzt im Gesetz festgeschrieben. Mit anderen Worten: Es wird der Advent – ich bitte, das zu beachten: der Advent – vom Gesetz her als weniger schützenswert betrachtet. Jetzt sage ich: Ich bin der Meinung, daß das, was für den Advent gilt, eigentlich für das ganze Jahr gelten könnte, da ich nicht einsehe, warum man für den Advent, der eine Zeit der Besinnung und der Einkehr sein sollte, das Arbeitsrecht lockerer gestaltet, für den Rest des Jahres aber die Zügel streng anzieht.

Wenn man schon Schutzvorschriften als sinnvoll erachtet – sie sind zwar völlig wirtschafts- und lebensfremd, das sage ich dazu –, dann müßte man gerade im Hinblick auf den Advent sagen, daß die Menschen Zeit haben sollten, um sich am Samstag der Besinnung und der Vorbereitung auf den folgenden Adventsonntag widmen zu können. – Aber im Gesetz ist es nicht so, sondern gerade umgekehrt.

Es gibt eine weitere Ausnahme, die das Öffnungszeitengesetz 1991 betrifft, und dann kommt das eigentliche Phänomen: Es gibt die Möglichkeit, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen Ausnahmen zu statuieren. Ich frage Sie: Was sind wir für ein Gesetzgeber, daß wir es den Sozialpartnern nicht zutrauen, daß sie, wenn wir das für den Samstag grundsätzlich erlauben, im Rahmen von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen Restriktionen festlegen?

Ich habe es auch in der Ausschußsitzung schon gesagt: Offensichlich traut es sich die Sozialpartnerschaft nicht mehr zu, zu einem brauchbaren Arbeitspapier zu kommen, wenn nicht vorher abgesichert ist, daß eine Seite – also einseitig – "njet" sagen kann. Ich meine, in diesem Fall ist es ein Abdanken der Arbeitnehmervertretungen. Wenn sie das im Gesetz so brauchen, dann trauen sie sich offenbar nicht zu, auf dem Verhandlungsweg ein konstruktives Ergebnis zu erzielen.

Ich meine, wenn die Sozialpartnerschaft so weit gekommen ist, daß die beiden Seiten einander mit solch großem Mißtrauen gegenüberstehen, daß sie eine gesetzliche "Njet"-Vorschrift brauchen, dann ist das System von der Mechanik her an seinen Grenzen angekommen.

Offensichtlich haben wir kein Vertrauen mehr zu den gewählten Betriebsräten, kein Vertrauen mehr zu den Kollektivvertragspartnern. Dieses Hohe Haus ist anscheinend der Meinung, daß man diesen Bereich in ein so enges gesetzliches Korsett pressen muß, daß ja nicht Autonomie, Selbstverwaltung, Selbstbestimmung und echtes innerbetriebliches Miteinander gelebt werden können, sondern im Notfall alles streng und nur nach Gesetz geregelt ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Diese Philosophie irritiert mich so sehr, denn das, was dann bei Kollektivvertrags- oder auch bei Betriebsvereinbarungen herausgekommen wäre – und wäre es noch so ähnlich dem gewesen, was wir hier ins Gesetz schreiben –, wäre lebensnahe gewesen. So aber gehen wir den umgekehrten Weg, das heißt, wir zwingen eine bevormundende Regelung auf und erlauben gnadenhalber, daß auch etwas anderes sein darf.

Wenn das unsere Antwort auf die Globalisierungsproblematik ist, unsere Antwort auf die Dynamisierung der in den Betrieben gelebten Sozialpartnerschaft, dann ist das sehr schlecht. Ich sage Ihnen: Die Leute werden Ihnen abhanden kommen. Sie werden nicht mehr das Gefühl


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite