Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 79

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ten, nicht zuletzt – das räume ich auch ein – angesichts der internationalen Konkurrenz und der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Eines sollten wir aber auch nicht aus den Augen verlieren: Die Arbeitszeitoffensive, die derzeit unter dem Begriff "Flexibilisierung" läuft, ist nichts anderes, als der Wunsch, samstags, sonntags, feiertags und in der Nacht arbeiten zu lassen. Das bedeutet nichts anderes als Arbeit rund um die Uhr und die Anpassung des Menschen an die Maschine. – Das ist familienfeindlich, das ist kinderfeindlich, dessen müssen wir uns bewußt sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Folge wird sein: Familien und Partnerschaften werden in der Wurzel getroffen werden. Der Auflösungsprozeß wird sich beschleunigen, statt daß wir Stabilisierungseffekte für die Partnerschaften einziehen. Es ist sehr leicht – und das geschieht ja auch ständig –, unentwegt die Bedeutung der Familie und das Funktionieren des Familienlebens zu beschwören, aber man muß das auch umsetzen, denn in der Realität machen wir es den Familien immer schwieriger. Man muß Werte umsetzen, nicht nur davon reden.

Ich möchte auf die Erwerbsquote der Frauen hinweisen: Mehr als die Hälfte der Frauen mit Kindern ist berufstätig. Alleinerziehende Frauen sind doppelt betroffen, nämlich einerseits durch die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und andererseits durch den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen für die gleiche geleistete Arbeit. Es ist dann natürlich verlockend, aus der Berufstätigkeit auszusteigen, bei dieser Überbelastung durch fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, schlechte Arbeitsbedingungen, familienfeindliche Arbeitszeiten, die Einkommensunterschiede und die Alleinzuständigkeit der Frau für Familie und Erziehungsarbeit, um Mann und Kindern – wie das formuliert wird – ein anständiges, ein ordentliches Heim zu geben. – So wird es doch gesagt: ein ordentliches Heim zu geben. Das läßt doch den ironischen Umkehrschluß zu, daß von berufstätigen Frauen ein unordentliches Heim geboten wird.

Es muß uns klar sein, daß von der Neuregelung, die wir jetzt vorfinden, die Gruppe der Verkäuferinnen betroffen ist, und das ist ein typischer Frauenberuf, ein typischer Nichtkarriereberuf.

Es kommen noch gesundheitliche Belastungen dazu, vor allem in Einkaufszentren und in Großmärkten: ausschließlich künstliches Licht, Zugluft, Klimaanlagen, große Konzentrationsanforderungen über lange Zeiträume – denken Sie an die Supermarktkassiererinnen –, ständiger Zeitdruck, fast keine Pausen, permanenter Kundenandrang. Und nur knapp die Hälfte aller am Wochenende Beschäftigten hat regelmäßig an zwei zusammenhängenden Tage in der Woche frei.

Aus all diesen Gründen ist es besonders wichtig, eine ausreichende Regenerationsphase in Form von zwei zusammenhängenden freien Tagen in der Woche zu gewährleisten.

Ich möchte hier diese Gelegenheit nützen und darauf hinweisen, wie wichtig die Kinderbetreuungseinrichtungen sind, wie wichtig Betriebskindergärten im Zusammenhang mit dieser Frage sind. Diese Einrichtungen machen vor allem dann Sinn, wenn wir die Probleme, die Samstag-Nachmittag-Arbeit und Samstag-Arbeit schlechthin für Frauen und Mütter und Familien mit sich bringen, nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern hinsichtlich der Rahmenbedingungen auch etwas unternehmen wollen.

Betriebe, in denen kein Betriebsrat existiert, sind im Entwurf berücksichtigt. In Betrieben ohne Betriebsrat kann durch eine schriftliche Einzelvereinbarung festgelegt werden, daß innerhalb einer Frist von vier Wochen an zwei Samstagen gearbeitet werden darf, wenn die verbleibenden zwei Samstage arbeitsfrei sind. Davon sind rund 37 400 Betriebe betroffen – Kleinbetriebe mit ein bis vier Beschäftigten. So sind nämlich 68 000 Menschen in Österreich beschäftigt.

Meine Damen und Herren! Die Rolle der Politik, die Rolle des Arbeitsrechtes, aber vor allem die Rolle der Gewerkschaften – wobei die Vertreter und die Vertretung der Arbeitnehmer in letzter Zeit ununterbrochen disqualifiziert wird – werden so dargestellt, als hinke der Gesetzgeber den rasanten Entwicklungen der Wirtschaft immer hinten nach, als sei die Wirtschaft das einzig Moderne – und alle anderen sind rückständig und hinken nach.


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