Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 165

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Heute, da wir dieses so groß angekündigte Reformvorhaben beschließen sollen, stehen wir vor einem großen Trümmerhaufen. – Ich weiß, das ist ein hartes Wort, aber ich werde Ihnen diesen Trümmerhaufen noch erklären.

Patienten sind verunsichert, Ärzte gehen auf die Straße, und den Lohn für diese Rufbereitschaft, nämlich das Ärztearbeitszeitgesetz, können wir heute nicht beschließen, weil der ÖVP ein paar zufriedengestellte Landesfinanzreferenten wichtiger waren als das gesundheitliche Wohl von Tausenden Spitalsärzten, die bis zu 100 Stunden wöchentlich ihren Dienst versehen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Povysil. )

Das Ärztearbeitszeitgesetz, das laut EU-Richtlinien schon seit einigen Tagen in Kraft sein sollte, fehlt entgegen allen Versprechungen heute auf der Tagesordnung und ist damit auch nicht beschlußreif, obwohl es das Junktim für die Einführung der Rufbereitschaft war.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zur Rufbereitschaft sagen. Erstens: Die Rufbereitschaft wird uns noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß sich in einigen Jahren an die feierlichen Schwüre der Länder, die sagen, es werde zu keiner Qualitätsverschlechterung kommen, noch irgend jemand erinnern wird!

Zweitens: Die Rufbereitschaft wird auf Kosten der Patienten gehen! Glauben Sie denn wirklich, daß in Zukunft in der Nacht weniger Unfälle und akute medizinische Notfälle auftreten werden als bisher? Wo wird aber der Facharzt im Notfall sein, wenn sein Auto nicht anspringt? (Abg. Dr. Graf: Im Bett!) Wo wird die notwendige Versorgung sein, wenn einmal mehrere kritische Situationen gleichzeitig auftreten?

Drittens: Sie stürzen Turnusärzte in Gewissenskonflikte, in Streßsituationen und in Rechtsunsicherheiten! Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wird sich der junge Arzt trauen, den Herrn Primar aus dem seligen Schlaf zu holen? – Ich sage Ihnen, wenn er es tut, und wenn er es oft tut, dann wird sich die Rufbereitschaft sehr bald zur teuersten und uneffizientesten Form des ärztlichen Nachtdienstes entwickeln. Wenn er es aber nicht tut, dann frage ich Sie: Wer wird für den Behandlungsfehler haften?

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Was ist das für ein Ärztegesetz, laut dem ein Turnusarzt untertags nur unter Anleitung und Aufsicht handeln darf – also unselbständig –, in der Nacht und am Wochenende aber plötzlich die Entscheidungsbefugnis dafür bekommt? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Seien wir doch ehrlich: Diese Bestimmung widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz! Denn wenn ärztliche Tätigkeiten an ein bestimmtes Erfordernis wie den Abschluß des Turnus gebunden sind, dann gilt das nicht nur am Tag, sondern auch während der Nacht! – Dazu gäbe es noch viel zu sagen. Meine Kollegin Dr. Gredler wird darauf noch ausführlich zu sprechen kommen. Ich möchte daher noch auf andere Kritikpunkte eingehen.

Das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen regelt die Erfordernisse für eine Diagnose- und Leistungserfassung in den Krankenanstalten. Das ist zwar notwendig, denn ohne eine solche Dokumentation funktioniert das LKF-System nicht, aber eine taxative Aufzählung, wie sie in der Gesetzesvorlage vorgesehen ist, ist mit dem Datenschutz nach unserem Verständnis nicht vereinbar.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben sich im Gesundheitsausschuß über unseren Abänderungsantrag, der die Unterstützung aller Oppositionsparteien bekommen hat, hinweggesetzt. Sie haben sich auch über die Warnung des Datenschutzrates hinweggesetzt, der sowohl hinsichtlich dieses Gesetzes als auch zum § 10 des Krankenanstaltengesetzes deutliche Bedenken geäußert hat.

Gesundheitsdaten sind hochsensibel! Mit Ihren Bestimmungen geben Sie sowohl den Sozialversicherungen als auch den Landesfonds das Recht, ungehindert Einsicht in Krankengeschichten von Patienten zu nehmen, und bei der Aufzählung von stationären Daten im Bundesgesetz über die Dokumentation ist nicht sichergestellt, daß die Anonymität der Patienten gewahrt bleibt.


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