Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 19

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nämlich verbrüdert und davon redet, daß wir alle gegen etwas auftreten müssen, sollten wir darüber nachdenken, wogegen wir eigentlich auftreten wollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. ) – Sie wissen es? Ich gratuliere Ihnen, das verbindet Sie mit manch anderem. Herr Bischof Krenn fällt mir dabei ein. Auch er weiß genau, was wahr ist. Sie wissen offenbar auch, was wahr ist.

In dieser Broschüre wird versucht, einen Kriterienkatalog aufzustellen, nach dem man Sekten einordnen könne. Ich frage mich, ob Sie über diesen Kriterienkatalog wirklich nachgedacht haben, wenn Sie finden, daß er so klar ist. Da steht nämlich, es müssen hier verschiedene Kriterien zusammentreffen: "die Geschlossenheit der Gemeinschaft, die klaren Grenzen zwischen Anhängern und Außenstehenden, die normierte Lebenspraxis im Inneren". – Da fällt mir vieles ein, da fällt mir nicht nur die eine oder andere Partei ein, da fallen mir vor allem auch anerkannte Religionsgemeinschaften ein. (Abg. Großruck: Da haben Sie ein gestörtes Verhältnis!)

Als nächstes: "die abseitigen und/oder kulturell fremden Ideen" – allein dieser Zusammenhang, der hier ausgedrückt wird, ist bemerkenswert –, "die nicht vermittelbaren Glaubenswelten und Lebensorientierungen, die fanatisch vertreten werden".

Abgesehen davon, daß es natürlich eine Frage der Begriffsdefinition ist, wann etwas fanatisch vertreten wird, frage ich mich wirklich, wer hier entscheidet, was nicht vermittelbar ist. Was ist denn "abseitig" an kulturell fremden Ideen? – Ich gebe schon zu, da steht ein "Und" und ein "Oder", dennoch sind diese Begriffe bewußt in einem Zusammenhang gebraucht. Man darf sich daher nicht wundern, daß zum Beispiel die Buddhisten, eine uralte Religion, in Österreich erst seit kurzem als Religionsgemeinschaft überhaupt anerkannt wurden. Bis dahin waren sie offensichtlich als eine Sekte abqualifiziert.

Dann: "Gemeinschaften, die Konflikte mit der Umwelt, vor allem persönliche Konflikte mit Angehörigen von Mitgliedern, und juristische Konflikte mit Behörden haben". – Das soll ein Kriterium für eine Sekte sein? Ist das Ihr Ernst? – Da kommt also heraus, daß jemand, der aufbegehrt, in unserem Land schon verdächtig ist.

"Die Abhängigkeit der Mitglieder von einer charismatischen Führungsfigur beziehungsweise von einer Hierarchie, die Lehre und Praxis autoritär bestimmen." – Das ist ein gutes Kriterium. Nur trifft es leider nicht nur auf Sekten zu, sondern auch auf andere Organisationen.

Was ich damit sagen will, ist: Sekten sind ein wesentliches Phänomen, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben und gegen das man sozusagen Impfungen erfinden muß. Ich glaube, daß es eine Notwendigkeit für Politiker ist, sich damit auseinanderzusetzen. Nur: Mit solchen Broschüren werden wir es wirklich nicht schaffen, aber auch mit Gesetzen werden wir es nicht schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, wir werden es auch nicht mit einer Religionspolizei, wie sie Kollege Öllinger einmal gefordert hat, schaffen. Das sind Reflexe in die Richtung: Der Staat kann alles richten. – Da seid ihr euch interessanterweise alle einig!

Ich glaube, daß es wohl darum geht, einmal an die Ursachen heranzugehen, warum denn Menschen, insbesondere auch junge Menschen, nach derartigen Haltegriffen, nach derartigen Orientierungszielen suchen. Frau Kollegin Mertel hat gesagt, wir müßten den Menschen etwas zur Hand geben, woran sie sich orientieren können. Glauben Sie nicht, daß es viel sinnvoller ist, kritikfähige Menschen zu erziehen, den Menschen auch das Denken beizubringen, das Hinterfragen beizubringen und die Auseinandersetzung mit Werten zuzulassen? Den Menschen nicht alles vorgekaut hinzulegen, sei das nun in einem konfessionellen Unterricht oder sei das in sonstigen Paketen, und sie dann gerade nur darüber entscheiden zu lassen, ob sie es nehmen oder nicht?

Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet überhaupt nicht statt. Und dann glauben Sie, Sie können etwas bewirken, wenn Sie im nachhinein aufklären. Mit der späteren Aufklärung wird es nicht getan sein, wenn man nicht von vornherein selbst in der Lage ist, sich seinen Weg zu suchen.


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