Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 53. Sitzung / Seite 159

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Nur ist die Frage jetzt: Wollen wir hier Anlaß für die Verantwortung festhalten und anlaßbezogen agieren – oder wollen wir, weil wir an dieses System nicht glauben, von vornherein die Reglementierung in allen Details festhalten? Das sind die Wege, die uns unterscheiden. Ich bin, wie ich schon oft hier ausführen durfte, für den ersten Weg, nämlich für den Weg der Zuordnung von Verantwortung. (Abg. Hagenhofer: ... kein Problem, aber was ist in den Betrieben, wo es keine Betriebsräte gibt und die Leute Arbeitsplätze haben?) Frau Hagenhofer! Das ist eine Frage, die dieses Hohe Haus beschäftigen sollte: wie wir die innerbetriebliche Mitbestimmung ausbauen, aber gleichzeitig überbetriebliche Reglementierungen abbauen. Das ist das Problem. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Da kann man beschließen, was man will, das zählt eh nichts! – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Ich möchte Ihnen an einem Beispiel klarmachen, worum es letztlich geht. Wenn Sie heute dieses ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Sie erst vor zwei Jahren beschlossen haben, wieder novellieren – wobei an und für sich bedauerlich ist, daß Gesetze so zustande kommen –, dann verordnen Sie darin, daß ein Sicherheitsbeauftragter bestellt wird. In einem Unternehmen, das beispielsweise 26 oder 30 Mitarbeiter hat, müssen Sie jetzt jemanden finden, der den Willen, das Wissen und auch das Können hat, diesen achtwöchigen Kurs zu besuchen. Wenn dieser nur 25 000 S brutto im Monat verdient, kostet er 50 000 S. Das wissen wir. Also sind das 100 000 S Schulungskosten plus 35 000 S Kosten des Kurses plus 15 000 S für Fahrtkosten, Übernachtung, was immer Sie wollen.

Sie setzen also 150 000 S ein, nur um diesen Mitarbeiter für diese Position zu schulen – abgesehen davon, wie viele Implikationen sich durch verstärkte Kündigungsschutzmechanismen ergeben. Kündigt der Mitarbeiter diesem Unternehmen, ist es wie beim "Mensch ärgere dich nicht": Sie fliegen raus und müssen wieder einen Sechser würfeln, sprich erneut 150 000 S investieren, bis Sie wieder auf jenem Status sind, auf dem Sie vorher waren.

Ich mache nur an dem einen Beispiel klar, daß hier immer wieder schrittweise zusätzliche Kosten dazukommen, die nicht im einzelnen die Unternehmen gefährden, sondern in Summe letztlich zu einem Kostenbild führen, das sich auf dem Markt bei den Kunden nicht durchsetzen läßt. Das führt dann zu Ertragseinbußen und selbstverständlich zu einer Eigenkapitalschwächung, die sich bedauerlicherweise in der Wirtschaft abbildet.

Natürlich gibt es Insolvenzen aus Verschulden des Unternehmers. Das ist gar keine Frage. Es gibt Erfolgreiche, die Gewinn machen, und es gibt nicht Erfolgreiche, die Verlust machen. Aber wir müssen eines wissen – und diese Verantwortung sollten wir im Hohen Haus langsam begreifen –: Je mehr wir in reglementierender Weise eingreifen, je mehr wir Kostenposition auf Kostenposition anhäufen, desto schwieriger wird es, und zwar auch für gute Unternehmen, ertragreich zu wirtschaften.

Der Freie Wirtschaftsverband: "Vorauseilender EU-Gehorsam bringt die Wiener Klein- und Mittelbetriebe in Existenzgefahr. Die Kosten von 3 Milliarden Schilling für die Evaluierungsmaßnahmen zahlen die Unternehmer." – Nein, in Wirklichkeit zahlen sie nicht die Unternehmer: Die Kunden müssen sie bezahlen! Wenn sich die Kunden weigern, sie über den Preis zu bezahlen, wird das Unternehmen Schwierigkeiten haben, weil sich die Kosten auf dem Markt nicht im Preis abbilden.

3 000 S pro Mitarbeiter – so ist die Schätzung – kostet dieses neue Gesetz. Das sind wiederum Lohnnebenkosten. Lohnnebenkosten zahlen Sie aus der Wertschöpfung. Die Summe der Arbeitskosten müssen in der Wertschöpfung Platz haben müssen, nachdem Sie Ihre Steuern bezahlt haben. Wenn Sie die Lohnnebenkosten immer erhöhen, verringern Sie gleichzeitig den Spielraum für die Bruttolöhne der normalen Arbeitszeit. Je mehr Zuschläge Sie machen, je mehr Lohnnebenkosten Sie haben, die immer in der betrieblichen Wertschöpfung Platz haben, desto mehr verteilen Sie Löhne um, und zwar vom Bruttolohn hin zu den Lohnnebenkosten.

Das Faktum, das wir heute haben, besteht doch darin, daß von rund 262 S Kosten der geleisteten Arbeitsstunde in der Industrie der Mitarbeiter rund 131 S brutto pro Stunde bekommt. Das macht dann, je nach Steuerklasse, zwischen 80 S und 85 S netto aus. Das heißt, von dem, was


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