Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 179

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Frau Abgeordnete Motter! Das ist Telepathie!) Das ist Ihr Problem, nicht meines. Aber ich bin schon sehr verwundert darüber. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und von den Freiheitlichen! Auch ich schließe mich der Frage an, was das im Antrag unter Artikel 1 Abs. 2: "Männer und Frauen haben das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen", heißt: Heißt das wirklich Frau/Frau, Mann/Mann? Ich kann ja ein Kind adoptieren – und dann bin ich eine Familie? Also diese Aufklärung sind Sie uns, glaube ich, heute noch schuldig – und nicht erst im Ausschuß in den weiteren Verhandlungen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen und von der Österreichischen Volkspartei! Sie kennen wie wir die eindeutigen Statistiken, die belegen, daß immer weniger Menschen in traditionellen Familienbanden leben und auch in Zukunft leben wollen. Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern ist ein Faktum. Ich verstehe daher nicht, warum von konservativer Seite immer noch verhindert wird, daß unser Rechtssystem sich der veränderten Gesellschaft anpassen kann.

Meine Damen und Herren! Es ist auch ein Faktum, daß es 1995 weniger Eheschließungen als Scheidungen gab, und die Prognose für neue Ehen ist, daß 62 Prozent der Ehen halten und 38 Prozent früher oder später geschieden werden.

Meine Damen und Herren! Wir wissen von der Vielzahl an Lebensformen, die nicht nur im Entstehen sind, sondern die bereits gelebt werden. Das sind Tatsachen, und wer sich diesen Tatsachen verschließt, ist unrealistisch. Wir Liberalen stellen uns dieser Realität. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind daher der Auffassung, daß es in Zukunft einen erweiterten Familienbegriff geben muß und daß daher nicht nur die Ehe, sondern jede auf Dauer angelegte Partnerschaft gefördert werden muß und unter dem besonderen Schutz der Gesellschaft zu stehen hat.

Wir wissen außerdem aus der Studie über die österreichische Familienlandschaft, daß die Vater-Mutter-Kind-Idylle – ob wir das wollen oder nicht – mehr und mehr der Vergangenheit angehört. Jede fünfte Familie mit Kindern ist eine Ein-Eltern-Familie, und gerade aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Orientierung am Ideal der Vater-Mutter-Kind-Familie gibt es für Ein-Eltern-Familien eine Reihe von Benachteiligungen: weniger Geld, schlechtere Wohnungen, weniger Freizeit und so weiter. Dieses Faktum betrifft vor allem auch Frauen.

Meine Damen und Herren! Dies sollten wir verhindern, und ich glaube nicht, daß wir mit der angestrebten Festschreibung des herkömmlichen, traditionellen Familienbegriffes in der Verfassung in diesem Zusammenhang zu Verbesserungen kommen.

Ich bin daher auch überzeugt davon, daß aufgrund einer Verfassungsaufnahme von Ehe und Familie weder eine einzige Ehe mehr geschlossen, noch eine einzige Ehescheidung dadurch verhindert wird.

Herr Kollege Spindelegger! Da Sie auf jene Bundesländer hinweisen, in denen diese Verfassungsänderung betreffend den Schutz der Familie bereits in der Verfassung steht, darf ich Ihnen sagen: Es hat sich nichts verändert. In Vorarlberg werden mehr Ehen denn je geschieden. (Abg. Dr. Graf: Aber es ist ein Zeichen, genau wie bei den Behinderten!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den Worten der ehemaligen Familienministerin Sonja Moser anschließen – ich zitiere –: "Wenn man erfolgreiche Familienpolitik betreiben wolle, sei dem einzelnen nicht geholfen, wenn man ihm ein ideologisches Familienkonzept überstülpt." – Dies, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, sollten Sie auch überdenken, bevor Sie solche Forderungen stellen, wie Sie sie aus Ihren eigenen Reihen zu hören bekommen haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abschließend möchte ich mich noch zu den wortidentischen Anträgen von ÖVP und Freiheitlichen über die Entwicklung des ländlichen Raumes äußern: Auch wir Liberalen haben den


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