Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 90

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Der Herr Bundeskanzler hat heute auch gesagt, daß es gerade im Bereich der Arbeitslosigkeit nicht so schlimm ist und die Arbeitslosenquote angeblich über 4 Prozent liegt. Aber er hat nicht dazugesagt, daß die Behindertenarbeitslosigkeit bereits die 40-Prozent-Grenze überschritten hat und daß Tausende behinderte Menschen nicht einmal als arbeitslos gemeldet sind, weil sie vom Arbeitsmarkt nicht einmal als arbeitslos anerkannt werden.

In der Regierungserklärung steht auch, daß es weiterhin Einsparungen im Heilbehelfsbereich geben muß. Meine Damen und Herren! Wo wollen Sie uns noch etwas wegnehmen? Es geht einfach nicht mehr! Vor zehn Jahren hatten behinderte Menschen, wenn sie ein Hörgerät gebraucht haben, keinen Selbstbehalt zu zahlen. Heute liegt der Selbstbehalt bei 20 000 S! Sie müssen mir einmal sagen, wie das jemand, der behindert ist, finanzieren soll: einen Selbstbehalt von 20 000 S bei einem einzigen Hörgerät!

Meine Damen und Herren! Sie zwingen behinderte Menschen nicht nur dazu, daß sie auf das Hören verzichten müssen, sondern generell dazu, ohne Hilfsmittel zu leben, ohne Mobilität auszukommen, was dazu führt, daß ihre Teilnahme am täglichen Leben gleich Null werden wird.

Auch der Bildungsbereich wurde heute angesprochen, und es wurde gesagt, was sich da nicht alles Großartiges für behinderte Menschen generell getan habe. Für behinderte Menschen gab es einen wesentlichen Rückschritt, denn die letzte Schulorganisationsgesetz-Novelle ist kein Fortschritt in Richtung Integration Behinderter. Sie haben in diesem Gesetz festgeschrieben, daß jetzt mindestens fünf behinderte Kinder in einer Klasse sein müssen, um Integration möglich zu machen. Wenn es weniger sind, kommt auch der Rest der behinderten Kinder in die Sonderschule.

Auch der Zusammenlegung der Bereiche Gesundheit und Soziales kann ich nichts Positives abgewinnen. Der ehemalige Herr Sozialminister Hums hat gesagt, er möchte dieses Ressort in Zukunft nicht mehr leiten, weil es einfach zu groß und zuviel ist. Aber jetzt ist es angeblich ohne weiteres möglich, zwei Riesenressorts, nämlich das Gesundheitsressort und das Sozialressort, unter eine einzige Verwaltung zu bringen. Ich betone den Begriff "Verwaltung", denn in diesem Ressort wird sich nichts mehr tun, sondern es wird ein reines Verwaltungsressort sein – ohne jegliche Möglichkeit, etwas zu verändern. Randthemen, wie zum Beispiel der Bereich der Bioethik, werden wahrscheinlich gar nicht mehr erwähnt werden, obwohl es für viele Menschen eine persönliche Bedrohung darstellt.

Dafür wurden ja die Krankenscheingebühren eingeführt, und inzwischen weiß jeder, daß die geplanten Einnahmen von 600 Millionen Schilling ohnehin nicht hereinkommen werden. – Ganz im Gegenteil: Der Verwaltungsaufwand wird größer sein als die zusätzlichen Einnahmen. Aber vielleicht könnten wir doch noch irgendwo etwas mehr hereinkriegen, vielleicht gibt es noch mehr Selbstbehalte, vielleicht gibt es in Zukunft noch mehr Zurückstufungen beim Pflegegeld, und vielleicht erhalten Menschen noch weniger als 374 S und 40 Groschen an Pension. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die machen das glatt!)

Wenn ich die heutige Regierungserklärung Revue passieren lasse und an die Zukunft denke, dann macht es mir angst, persönlich angst, weil ich nicht mehr weiß, wie es für die vielen alten behinderten und einkommensschwachen Menschen in Zukunft weitergehen soll.

Sie haben kaum mehr eine Möglichkeit der Existenzsicherung, und sie haben keine Möglichkeit mehr, selbstbestimmt zu leben oder auch nur ein Stück an der Gesellschaft teilzuhaben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben nicht einmal mehr die Möglichkeit, sich das Nötigste zu leisten – von Luxus oder von ganz normalen Dingen, die jeder einzelne von uns hat, gar nicht zu reden.

Ich habe große Bedenken und wünsche mir, daß sich meine und die Ängste der behinderten Menschen nicht bewahrheiten. Und ich wünsche mir, daß es durch die Budgets 1998 und 1999 keine zusätzlichen Belastungen mehr gibt, denn es sind die jetzigen schon nicht mehr zu ertragen. Es ist vielmehr notwendig, daß man all jenen Menschen, die durch das letzte Sparpaket so sehr draufgezahlt haben, daß sie jedes Interesse und jede Ideologie verloren haben,


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