Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 63. Sitzung / Seite 53

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die von 350 000 Österreichern unterschrieben wurde, nur dazu führt, daß wir heute darüber zwei, drei Stunden debattieren, es dann ablehnen und die Diskussion über diese Initiative damit beendet ist.

Vielleicht sollten wir auch an anderer Stelle darüber diskutieren und uns überlegen, wie man derartige Instrumente der direkten Demokratie insoweit ausbaut, als sie auch mehr Gewicht im parlamentarischen Geschehen bekommen sollen.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Ich glaube, all die Wortmeldungen, die wir bis jetzt gehört haben, zeugen auch ein bißchen von schlechtem Gewissen. Auch die Debatten, die jetzt in den Medien geführt werden, gehen ja in diese Richtung. Man traut sich nicht, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, weil man ganz genau weiß, daß man vor dem EU-Beitritt Österreichs ja ganz etwas anderes gesagt hat, und weil man auch für gewisse Stimmungen und Strömungen in der Bevölkerung verantwortlich ist. Es ist doch kein Zufall, daß Meinungsumfragen belegen, daß – das ist sehr richtig – die Mehrheit der Österreicher für die Beibehaltung der Neutralität ist, aber gleichzeitig auch schon eine Mehrheit meint: Ja, ein NATO-Beitritt wäre für Österreich positiv, obwohl das eine das andere natürlich absolut ausschließt. Allein daran sieht man ja, welches Informationsdefizit es da gibt.

Man muß sich nur die Meldungen anschauen. Ich muß sagen, bei der SPÖ ist es relativ klar. Herr Cap, der heute nicht spricht, vertritt eine andere Meinung als der Rest seiner Partei, die dem Ganzen ablehnend gegenübersteht, eine Haltung, die wir nicht teilen, weil ich meine, daß es da noch Ressentiments gegenüber der NATO, gegenüber Amerika gibt, die wir eigentlich überwinden sollten, aber es ist eine klare Position. Dagegen kann man ankämpfen und dagegen kann man argumentieren.

Aber bei der Volkspartei ist es schwierig, weil man nicht genau weiß, wie deren Position gerade ist. Wie ist die Position? Außenminister Schüssel – er ist ja verantwortlich dafür – sagt einmal: Ja, eine NATO-Mitgliedschaft ist denkbar. Nur zwei Monate später sagt er: Kein Interesse an der NATO. Dann sagt er wieder: Ein Beitritt zur NATO kann sich ergeben. Wir wollen über die WEU-Schiene in die NATO. Einen Monat später: Nicht Kopfüber in das NATO-Bassin; NATO-Diskussion steht nicht zur Debatte.

Meine Damen und Herren von der Volkspartei! Auch das wäre notwendig, daß sich zumindest einmal der verantwortliche Ressortminister Schüssel entscheidet, wofür er und Sie sind. Dann erspart man sich auch derartige Dinge, wie sie jetzt bei diesen Vorträgen in Bonn passiert sind, daß man die österreichische Sicherheitspolitik der Lächerlichkeit preisgibt.

Wenn wir uns über die Neutralität unterhalten, Herr Kollege Fuhrmann, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie ja so am Kern der Neutralität festhalten, dann sollten wir uns doch auch einmal überlegen, was denn die Ursache für diese Neutralität, die Begründung, der historische Wert war. Da braucht man sich doch nur das Moskauer Memorandum anzusehen, in dem eindeutig festgehalten ist, daß der Status der dauernden Neutralität Österreichs die Bedingung Moskaus für den Abschluß eines Staatsvertrages gewesen ist. Selbstverständlich hat sich damals Österreich zu diesem Status durchringen können oder müssen, wenn auch nicht wirklich mit großer Freude, denn sonst hätten wir keinen Staatsvertrag und auch nicht die Unabhängigkeit bekommen. Die Neutralität war damals Mittel zum Zweck für die österreichische Unabhängigkeit – nicht mehr und nicht weniger. Das ist der große historische Wert. Aber das kann nicht dafür hergenommen werden, daß wir das heute als Dogma betrachten und meinen, daß das ein Teil der österreichischen Identität ist. Das ist doch wirklich nicht zu verstehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Lesen Sie doch das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs aus dem Jahr 1955. Da geht das ja auch klar hervor:

"Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität." – 1955, Herr Kollege Fuhrmann! Man kann doch nicht sagen, seit 1955 hat


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