Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 63

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12.22

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Ihren letzten Ausführungen zur Rechtschreibreform können wir nicht zustimmen. In der Tat ist es so, daß sich die Experten großteils hintergangen fühlten, nicht nur durch den Zeitablauf, sondern auch mit der Inaussichtstellung, daß diese Materie sehr wohl nicht am Parlament vorbei, sondern in diesem zur Entscheidung gelangt. Ich glaube, hier ist doppelzüngig gesprochen worden. Es haben aber noch die Kolleginnen und Kollegen von anderen Fraktionen durchaus die Möglichkeit, einem Antrag unserer Fraktion die Zustimmung zu erteilen, daß man die nicht über den Zaun zu brechende Materie noch einer Behandlung im Hohen Haus zuführt und das von Anfang an sachlich begründet und erörtert. Ich bitte um Ihre Unterstützung für diesen Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Anschließend an Ihre Antwort in der Fragestunde darf doch noch ein Satz von meiner Seite gesagt werden. Sie stellen mich als den einzigen Diffamierer des österreichischen Schulsportes dar, und Sie selbst haben diesen überschwenglich gelobt. Frau Bundesministerin! Seien Sie mir nicht böse, aber ich nehme an, daß Sie Ihre diesbezüglichen Informationen von Fachinspektoren für Leibeserziehung beziehungsweise von unkritischen Leibeserziehern haben. Bitte, reden Sie mit Sportwissenschaftern, sprechen Sie mit Orthopäden, Trainern und Übungsleitern in den Vereinen oder mit den Eltern selbst: Es wird Ihnen von dieser Seite die tatsächlich bedrohliche Situation der körperlichen Verfassung unserer Schüler und Jugendlichen bestätigt werden – und nicht nur sozusagen ein einsamer Rufer in der Wüste und Querulant ist diesbezüglich skeptisch. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis!

Natürlich weisen Sie zu Recht darauf hin, daß die Schule nicht alle Funktionen, die seitens der Familien und Eltern nicht übernommen werden, erfüllen kann. Aber man kann nicht gleichzeitig über Jahre hinweg die Auflösung der klassischen Familienform fördern, da mitstimmen und schlußendlich in den Schulen die Kinder, die dem Lehrer überantwortet werden, durch mangelnde Aufsichtsmöglichkeit daheim "körperlich weglegen". Man wird sich überlegen müssen, wie man als begleitende Maßnahme zu diesen Familienauflösungstendenzen – und diese sind in der Tat spürbar, da sage ich Ihnen ja nichts Neues – auch von der körperlichen Seite her begleitende Maßnahmen setzen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun möchte ich auf den zur Beschlußfassung vorliegenden Entwurf bezüglich der Schule der Berufstätigen zu sprechen kommen. Das ist eine durchaus positive Einrichtung, eine auch weitgehend unbedenkliche Gesetzesmaterie – mit Ausnahme der Beurteilungspassagen, der Bezeichnung des Gesetzes selbst, wie ich im Ausschuß kritisieren durfte, und fehlende flexible didaktische Organisationsformen. Unsere Juristen haben inzwischen auch die Pädagogen zwischen den Zeilen lesen gelehrt und haben uns zum Thema der Unterrichtssprache folgende Passage vor Augen geführt:

"Darüber hinaus kann die Schulbehörde auf Antrag des Schulleiters die Verwendung einer lebenden Fremdsprache als Unterrichtssprache in einer öffentlichen Schule anordnen. Wegen der Zahl von fremdsprachigen Personen, die sich in Österreich aufhalten, sollte dies zweckmäßig erscheinen." – Zitatende.

Diese Passage mag im Zusammenhang mit den Schulen für Berufstätige unbedenklich sein. Sie hat aber nunmehr nicht nur unseren Juristen durchaus die Handhabe aufgezeigt, daß man über dieses Türchen auch in andere Schulformen mit fremdsprachigem Unterricht einziehen kann. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum wir dem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen dürfen. Ich bitte Sie zu bedenken, welche Auswirkungen genau diese so "zwischen den Zeilen" erörterte Möglichkeit haben kann.

Kollege Antoni hat vorhin beklagt, daß 5 000 Jugendliche ohne Pflichtschulabschluß gleichsam der Arbeitslosigkeit ausgeliefert sind. Wir halten diese Späterkenntnis für eine Bankrotterklärung des hochgelobten Polytechnikums. Wir Freiheitlichen haben frühzeitig und laut nach einem Berufsvorbildungsjahr gerufen, wir haben früh und laut eine berufsorientierte Kurzausbildung – etwa in Form der Werkschulen – verlangt. Die Rufe blieben ungehört. Das jetzt bejammerte und beklagte Ergebnis ist darauf zurückzuführen.


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