Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 73

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zug herzustellen, denn mich tröstet es nicht sonderlich, daß wir diese Debatte vor leerem Plenum zu einer christlichen Mittagszeit führen; es wäre mir die Mitternachtsstunde besser geeignet erschienen, um es eher schamhafter zu machen. Ich bin daher wirklich in hohem Maße ... (Abg. Böhacker: Überrascht!) – Nein, nicht überrascht und nicht enttäuscht, aber nicht sonderlich motiviert. (Abg. Böhacker: So ist es!)

Herr Bundesminister! Sie wissen, es gibt drei Gründe, warum Sie zur Kenntnis nehmen mußten, daß dieses Budgetdefizit im wahrsten Sinne des Wortes explodiert ist, und das nach einer Reihe von Jahren, in denen wir dieselbe Entwicklung feststellen mußten. Ich darf daran erinnern, daß wir das letzte Mal im Jahr 1991 ein, wenn auch bescheidenes, aber immerhin positives Ergebnis im Sinne des Vollzuges mit 600 Millionen Schilling unter dem Voranschlag hatten. Im Jahr 1992 betrug das Budgetdefizit 3,3 Milliarden Schilling, 1993 34,1 Milliarden Schilling, 1994 25 Milliarden Schilling und 1995 15,6 Milliarden Schilling. Sie wissen auch, daß das doch Abweichungen sind, die nicht mehr mit einer Rechenungenauigkeit oder mit einer sozusagen immanenten und unvermeidbaren Fehleinschätzung erklärbar sind.

Was ist passiert? – Es sind hier einige Gründe erkennbar, für die wir Sie – Sie persönlich natürlich überhaupt nicht, sondern Ihre Vorgänger – nicht unbedingt verantwortlich machen können.

Der Grund eins war die Konjunkturentwicklung. Es ist legitim, für sich in Anspruch zu nehmen, daß sie in ihrer vollen Auswirkung nicht erwartbar war. Daß wir aber erwarten, daß die Bundesregierung die Budgetansätze und die Voranschläge mit der Vorsicht eines ordentlichen Kaufmannes erstellt und daher nicht grundsätzlich vom politisch opportunen Bestfall ausgeht, sondern von einem vernünftigen und erwartbaren Mittelwert, sei hier angemerkt. Wir haben Sie damals schon darauf hingewiesen, daß diese Erwartungen zu optimistisch sind – nicht Sie, verzeihen Sie mir; ich meine mit "Sie" immer den Herrn Bundesminister im Amt – und daß daher diese Spur im Rechnungsabschluß erkennbar sein wird.

Der zweite Grund – der war sicherlich berechenbar, und zwar ziemlich genau berechenbar – waren die Aufwendungen, die Sie für die Mehrwertsteuerumstellung anläßlich des Beitritts zur EU hinnehmen mußten. Hier war nicht ausreichend vorgesorgt, und auch die Erfindung eines dreizehnten Monats, die Ihr Vorgänger Lacina gemacht hat, der den Gregorianischen Kalender verändert hat, hat offensichtlich nicht viel weitergeholfen. Darüber hinaus wäre es sicherlich diskussionswürdig, ob so eine Maßnahme überhaupt zulässig ist. (Abg. Böhacker: Das ist ein Spezialkapitel!)

Was aber die groben Fehleinschätzungen betrifft, bei denen wirklich politisches Versagen oder politische Fehlleistung zu erkennen ist, gehört dazu sicherlich das Kapitel Privatisierung. Diesbezüglich haben Sie ja in diesem Jahr 1995 nichts vorzuweisen. Ich gebe jetzt zu, daß in der Auswirkung, im absoluten Betrag die Privatisierungen nunmehr, im Jahr 1997, wesentlich ergiebiger erfolgt sind. Wir meinen aber, daß es bei der Budgeterstellung und beim Budgetvollzug notwendig wäre, daß Sie als Finanzminister sich nicht selbst dem Druck entziehen, der dadurch entsteht, daß Sie beispielsweise solche wesentlichen Positionen wie 13 Milliarden Schilling – wenn ich mich richtig erinnere – Privatisierungserlöse nicht im Budget vorsehen, denn dann wären Sie einfach gezwungen, die Rahmenbedingungen zu schaffen oder entsprechende politische Aktionen zu setzen, damit Sie trotzdem zu einem tauglichen oder zumindest zu einem bekanntgegebenen Budgetdefizit kommen. Diesem Druck haben sich Ihre Vorgänger entzogen, indem sie einfach Privatisierungserlöse angesetzt haben, die, wie wir wissen, bei weitem nicht eingetreten sind.

Noch ein Punkt, Herr Bundesminister, der hier abzulesen ist, ist die Entwicklung der Pensionen. Wie Sie wissen, haben wir 7,9 Milliarden Schilling mehr an Pensionszuschüssen zu Lasten des Budgets ausbezahlt, als Sie budgetiert hatten. Jetzt sind gerade die demoskopische Entwicklung eines Volkes und die damit verbundenen Pensionslasten eine statistisch absolut gesicherte Materie, und die Berechnungen für die Pensionslasten sind wirklich verhältnismäßig exakt möglich. Wenn Sie daher in diesem Budget seinerzeit neuerlich diese Position um einen so wesentlichen Betrag, nämlich um 8 Milliarden Schilling, geschönt haben, dann – es tut mir leid – müssen wir als Oppositionspartei annehmen, daß dies mit Absicht geschehen ist, um eine reform


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