Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 54

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

12.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin meinem Vorredner, der gerade den Saal verläßt, sehr dankbar. Er hat nämlich durch seine Rede die Aufregung, die durch den ersten Debattenbeitrag entstanden ist, ein bißchen überwunden und wieder Ruhe in den Saal gebracht. Lieber Kollege Kier, recht herzlichen Dank!

Meine Damen und Herren! Man sollte diese Diskussion hier wirklich in aller Ruhe und sehr sachlich führen, handelt es sich doch um ein Gesetz, das aus unserer Sicht den größten Modernisierungsschub in der Arbeitszeitgesetzgebung seit vielen Jahren bringt. Dieses Gesetz wird etwas nachvollziehen, was andere europäische Staaten schon in den letzten Jahren gemacht haben, nämlich flexiblere Regelungen einführen, mehr Spielraum schaffen.

Dieses Arbeitszeitgesetz ist nämlich nicht nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz: Es ist alles erlaubt, was nicht verboten ist! konzipiert, sondern es ist ein Gesetz, das den allgemeinen Rechtsgrundsatz umgedreht hat: Es ist alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh darüber, daß nun eine gewisse Durchlüftung, gewisse Freiräume geschaffen werden und daß nach zwölf Jahren Verhandlungen heute dieses weitreichende Gesetz zur Beschlußfassung vorliegt.

Meine Damen und Herren! Ich habe deshalb "nach zwölf Jahren" gesagt, weil bereits im Jahr 1985 – es war damals noch, Frau Ministerin, Ihr Vorvorvorgänger, Sozialminister Dallinger, für dieses Ressort verantwortlich – die Wirtschaftskammer Österreich sehr detaillierte Vorschläge gemacht hat dahin gehend, wie das Arbeitszeitrecht entsprechend flexibler und liberaler gestaltet werden sollte.

Ich glaube, daß es uns heute mit diesem Gesetz gelingen wird, die Weichen in eine Richtung zu stellen, die weltweit und auch in den wichtigsten Industriestaaten Europas eingeschlagen wurde, nämlich im Hinblick auf die globalen Herausforderungen der Wirtschaft Möglichkeiten einer flexibleren Gestaltung zu schaffen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich halte das neue Gesetz auch für viel ehrlicher als das bisherige Gesetz, und zwar deshalb für ehrlicher, weil – wir alle wissen das – das, was in den letzten Jahren in der Praxis der Betriebe – und zwar einvernehmlich zwischen Unternehmen, Betriebsräten und Arbeitnehmern – vereinbart wurde, sehr oft jenseits des Gesetzes war – praeter legem –, nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus der Notwendigkeit heraus, im beinharten Wettbewerb, dem wir ausgesetzt sind, Arbeitsplätze zu sichern.

Meine Damen und Herren! Insofern ist es für mich viel ehrlicher, wenn der Gesetzgeber eine Entwicklung nachvollzieht, die in der wirtschaftlichen Praxis in den letzten Jahren schon sehr weit gegangen ist. Es bedeutet mehr Ehrlichkeit in der Arbeitszeitpolitik und Arbeitszeitgestaltung. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Stichwort war für mich jetzt die Ehrlichkeit. Lassen Sie mich das Stichwort der Ehrlichkeit zur Diskussion um die Sonntagsarbeit aufgreifen.

Meine Damen und Herren! Bei allem Respekt vor dem Tag des Herrn, bei aller Bekenntnis zu den Grundwerten unserer Gesellschaft: Führen wir doch diese Diskussion um die Sonntagsarbeit ein bißchen ehrlicher, ein bißchen weniger scheinheilig und auch ein bißchen weniger egoistisch! (Beifall bei der ÖVP.)

Führen wir sie ein bißchen weniger egoistisch! – Was meine ich damit? – Jeder von uns – ich nehme niemanden aus – will haben, wenn er am Sonntag hungrig ist, daß im Gasthaus ein Koch zur Verfügung steht, daß ihm ein Kellner serviert. Jeder, der am Sonntag vom Ort A in den Ort B fahren will, ist froh, daß ein Straßenbahner da ist, ein Eisenbahner da ist, ein Flugzeug fliegt, ein Pilot arbeitet und so weiter. Jeder von uns, der am Sonntag erkrankt, will haben, daß ein Arzt, eine Krankenpflege zur Verfügung steht. Jeder von uns, der am Sonntag einen Gottesdienst besucht, will natürlich haben, daß der Pfarrer die Messe liest.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite