Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 105

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Oder: Vergessen Sie nicht, daß jeden Tag Betriebe in Österreich zusperren! Die Firma Unilever, die viele Subventionen bekommen hat, baut jetzt in Österreich wieder ab. Der Chef von Unilever Österreich sagt: Ich habe 1994 bei der Übernahme meines Jobs in Österreich eine heile Welt betreten. Seit dem EU-Beitritt habe ich wiederholt auf Standortnachteile in Österreich, wie die hohen Lohnnebenkosten, hingewiesen.

Dann kommt er zu folgender Schlußfolgerung: Der EU-Beitritt hatte diesbezüglich eine verheerende Auswirkung. Mit der Rationalisierung wurde die Produktion von etwa 160 auf 60 Produkte reduziert, dafür wird mehr aus deutscher Produktion eingeführt.

Wir wollen ja nicht Arbeitsplätze in Deutschland sichern, sondern wir wollen Arbeitsplätze hier in Österreich sichern! Das muß unsere Aufgabe sein, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Und was sagt der BMW-Vorsitzende? Was sagt der Vorstand bei Steyr? – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Lieber Kollege! Man sollte damit vorsichtig sein, immer zu sagen: Gehen wir zur Tagesordnung über, ein paar Arbeitsplätze haben wir halt wieder verloren! Faktum ist, daß wir die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten in Österreich haben und es kein Konzept dieser Bundesregierung gibt – und das, was ich gehört habe, ist auch keines –, sie wirklich entsprechend zu bekämpfen. (Abg. Dr. Nowotny: Nicht zugehört!) Aber der Herr Bundeskanzler meint dann in einem Interview mit dem "profil", daß man sich in Österreich an die Kategorie des Abschaffens werde gewöhnen müssen. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. )

Herr Bundeskanzler! Damit haben Sie in Wirklichkeit die Maske fallenlassen. Was wollen Sie denn alles abschaffen? Zuerst kommt der Kollege Nürnberger mit einem Vorstoß und sagt: Reallohnverzicht ist möglich! Dann gehen Sie her und schweigen dazu, daß 50 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeitgesetze arbeiten. Das bedeutet auch Lohnverzicht, weil sie länger arbeiten, weil sie am Samstag arbeiten müssen, ohne Überstundenabgeltungen zu bekommen. Da haben Sie zugesehen! Das ist realer Einkommensverzicht, der hier betrieben worden ist!

Zur Arbeitsplatzsicherung bei Semperit: Dieser Bundeskanzler hat als Finanzminister angekündigt, er werde sofort eine Kommission einsetzen, um Semperit zu retten. Was ist aus der Task-Force geworden, Herr Bundeskanzler, die Sie einsetzen wollten? – 1 000 Arbeitsplätze sind dort weg. Und was Ihre neuerliche Drohung betrifft, die Sie in einem Interview mit dem "Spiegel" aussprechen, nämlich: Tausende staatliche Bauarbeiter wird es nicht mehr geben!, frage ich mich, was Sie denn machen wollen. (Bundeskanzler Mag. Klima: Private dafür!) Private dafür! Wenn Sie die Privaten schon nicht beschäftigen können, wie wollen Sie denn dann die Bauarbeiter aus dem staatlichen Bereich in der Privatwirtschaft unterbringen? Da können Sie noch so viele "dumme" Löcher in den Semmering graben, dieses Konzept ist zum Scheitern verurteilt, weil es ein defensives Konzept ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Das hast ja du verlangt!)

Lieber Freund! Wenn du mich in die Regierung gibst, hast du nichts mehr zu reden, aber die Leute hätten eine Arbeit in Österreich. Und das ist das Entscheidende! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ.)

Worum geht es denn, meine Damen und Herren? Die Frage ist doch die: Was heißt Lohnverzicht für die Arbeitnehmer? – Lohnverzicht kann man nur dort üben, wo es ein überdurchschnittlich hohes Lohnniveau gibt und sich Arbeitszeitverkürzungen auf ein durchschnittliches Niveau bei Lohnverzicht einpendeln würden. Das sagen die Experten. Das ist aber in Österreich nicht der Fall, Herr Bundeskanzler! Sie haben das völlig undifferenziert bekanntgegeben, und wir würden Sie bitten, das auch wirklich zu korrigieren. Denn in einer Zeit, in der Sie als Bundeskanzler eine Einkommenspyramide für Politiker akzeptieren, wodurch Sie – ob Sie es nun wollen oder nicht – 1 Million Schilling Gehaltserhöhung bekommen, wo, wie wir heute in der Zeitung lesen können, eine Ministerin, die ein paar Monate im Amt war, 80 000 S Pensionsanspruch hat, in einer solchen Zeit ist es unmoralisch, von Lohnkürzungen für kleine Arbeitnehmer zu reden, die


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