Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 30

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Die erste und entscheidende Frage ist jene nach einer grundsätzlichen Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat, und zwar durchaus mit qualifizierter doppelter Mehrheit. Es darf keine Blockade geben. Die Europäische Union muß entscheidungsfähig bleiben, auch wenn sie erweitert wird. Das Scheitern dieses Anliegens könnte das Scheitern der Erweiterung bedeuten und damit das Scheitern der Ausdehnung der Friedensordnung, die wir in Westeuropa durch die Europäische Union haben, auch auf Osteuropa, das so sehr darauf wartet, miteinbezogen zu werden.

Das zweite wesentliche Anliegen – das hängt mit dem ersten eng zusammen – ist die volle Gleichberechtigung des Europäischen Parlaments bei allen Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene, die vom Rat mit Mehrheit entschieden werden. Mir wäre da eine Anreicherung zuwenig, denn es geht darum, daß Transparenz und demokratische Kontrolle wieder das Vertrauen der Bürger in die Entscheidungen der EU festigen. Das ist keine Abwertung des nationalen Parlaments, denn wir haben die Kontrolle durch unsere Vertreter im Ministerrat, sondern es ist die notwendige Ergänzung durch das direkt gewählte Europäische Parlament. In dieser Frage bin ich mit der Abgeordneten Gredler, die mir leider nicht zuhört, einig, nur glaube ich, es wäre schön gewesen, sie hätte das auch im Namen ihrer Fraktion sagen können.

Die dritte entscheidende Frage ist, daß wir bei dieser Regierungskonferenz Lehren aus der Tragödie im früheren Jugoslawien ziehen. Wenn es nicht gelingt, Voraussetzungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen, die es in Zukunft verhindern, daß die Europäische Union in Krisensituationen in unserer unmittelbaren Nähe handlungsunfähig ist, dann wird die Enttäuschung über die EU – der Fall Exjugoslawien hat ja sehr zur Abwertung der EU in der Bevölkerung beigetragen – bestehen bleiben. Ich stelle fest, daß man bei den Geschehnissen in Albanien dazugelernt hat, aber es geht um die Institutionalisierung, die es möglich macht, daß in Zukunft in diesen Fragen rasch regiert und reagiert wird. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Schieder. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können heute sagen, daß es richtig war, daß wir mit allem Nachdruck darauf hingearbeitet haben, in der ersten Runde der Erweiterung mit dabeizusein und jetzt mitgestalten zu können. Wir sollten uns – ich appelliere auch an den Herrn Vizekanzler – in diesen drei entscheidenden Punkten nicht von diesem Weg abbringen lassen, der in den Leitlinien der Regierungserklärung enthalten ist, die man nicht zu ändern braucht, weil sie nach wie vor gültig sind und weiter verfolgt werden müssen.

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Stillstand in der Europäischen Integration würde die Gefahr der Renationalisierung mit sich bringen. Jeder weiß, welche Folgen das haben könnte. Es ist daher ganz entscheidend, daß diese Regierungskonferenz ein Erfolg wird, daß sie den Erwartungen der Menschen innerhalb der EU und in den neuen demokratischen Staaten in Zentral- und Osteuropa entspricht und daß wir bei der Regierungskonferenz Zukunftsvisionen setzen, die realistisch sind und für deren Umsetzung die Voraussetzungen bei der Regierungskonferenz geschaffen werden müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte.

10.18

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Zu Recht wurde vom Herrn Vizekanzler betont, daß Österreich sich besonders auf die Ausformulierung und Durchsetzung der Grundrechte und der Menschenrechte konzentriert hat. Ich möchte dies in vier Punkten noch näher ausführen und bekräftigen.

Erster Punkt: Nach Dublin II soll ein neuer Artikel 6a in die Verträge eingeführt werden, der ein Diskriminierungsverbot nicht nur – wie Frau Abgeordnete Rauch-Kallat ausgeführt hat – wegen Behinderung, sondern auch der sexuellen Ausrichtung wegen vorsieht. Ich bin der Ansicht, daß wir von österreichischer Seite dieser Dublin II-Formulierung ohne Vorbehalte und umfassend Nachdruck verleihen sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt. )


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