Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 108

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nalbank deren Eigentümerstruktur nicht mehr zeitgemäß sei. Die Eigentümerstruktur ist bei der bankaufsichtlichen und gutachterlichen Tätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank ohne Belang, weil die Oesterreichische Nationalbank dabei im Rahmen des Gesetzes als beliehenes Unternehmen tätig ist. (Abg. Mag. Stadler: Das sieht man an der Rieger-Bank!)

Die breite Vertretung der Wirtschaft und der Interessenvertretung der Arbeitnehmer in der Eigentümerschaft der Oesterreichischen Nationalbank sichert die für diese Aufgabe erforderliche Unabhängigkeit der Notenbank. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die spezifische Form der österreichischen Sozialpartnerschaft sowie die Einbindung von Wirtschafts- und Arbeitnehmerseite in die Oesterreichische Nationalbank dazu beigetragen haben, jenes Klima und jene Stabilität zu schaffen, in der die – mitunter auch sehr maßvolle – Lohnpolitik gewachsen ist, die unser Land auszeichnet wegen seiner friedlichen Austragung von Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Von dieser Konfliktkultur möchte ich nicht abrücken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Auflösung der Oesterreichischen Nationalbank und eine anschließende Neugründung in einer Zeit wie dieser – wir stehen vor einem Jahr besonders wichtiger gesamteuropäischer Entscheidungen insbesondere im Bereich der Geldmarktpolitik – ein völlig falsches Signal an die europäischen und internationalen Finanzmärkte darstellen würde. Das könnte unter Umständen für die österreichische Wirtschaft und ihre Stabilität mit sehr ernsten Folgen verbunden sein. Ich glaube, es gehört auch zu den Aufgaben des Finanzministers und der Regierung, die Stabilität unserer Währung und die Ruhe auf den internationalen Finanzmärkten nicht durch ein österreichisches Experiment und Abenteuer in Frage zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was hat das mit Postenschacher zu tun?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Betrauung eines, wie Sie es nennen, "dezentralen Verwaltungsträgers" mit den Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank vorschlagen, ist mir nicht ganz klar, welcher bekannten Rechtsform dieser entsprechen sollte. Möglicherweise meinen Sie damit eine juristische Person öffentlichen Rechtes, die der neuen Bundes-Wertpapieraufsicht ähnelt. Sie müßten das noch konkretisieren. Denn jener Konstruktion gegenüber bestünde Weisungsfreiheit, damit bestünden gegen die Unabhängigkeit einer solchen Institution verfassungsrechtliche Bedenken. "Dezentrale Verwaltungsträger" ohne Weisungsgebundenheit aber kann ich mir in unserem Rechtsgebäude, ehrlich gesagt, nicht vorstellen.

Der EU-Vertrag jedoch erfordert, wie Sie wissen – ich habe die entsprechenden Bestimmungen bereits erwähnt –, die Unabhängigkeit der Notenbank. Aus diesem Grunde werden die Aufgaben der Notenbank in Österreich, aber auch in anderen europäischen Staaten von einer Aktiengesellschaft erfüllt. Ich sehe auch sonst keine Vorteile, die Ihr Konstrukt gegenüber einer Aktiengesellschaft hätte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die verfassungsrechtliche Absicherung der Notenbank der Republik in Form der jetzigen OeNB oder auch des von Ihnen geforderten "dezentralen Verwaltungsträgers" – was immer Sie darunter verstehen mögen – ist deshalb nicht erforderlich, weil dies durch den EU-Vertrag, also auf rechtlich höherer Stufe, bereits erfolgt ist. Jedenfalls gilt dies, wenn sich die Forderung auf die Unabhängigkeit von staatlichen Organen bezieht. Eine Unabhängigkeit gegenüber der EZB kann der österreichische Gesetzgeber nicht anordnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal dezidiert feststellen, daß die von Ihnen erhobene Forderung nach öffentlicher Ausschreibung aller Funktionen der Mitglieder des Direktoriums der OeNB schon derzeit eingelöst ist und selbstverständlich auch in Zukunft erfüllt werden wird, weil wir die Besten brauchen, die sich geeignet fühlen, in solch wichtigen Funktionen einer staatlichen Nationalbank tätig zu sein. Andere Funktionsträger stehen unter deren Weisung, das ergibt sich faktisch aus der Konstruktion – ob Aktiengesellschaft oder nicht –, und haben somit keine eigene "Personalverantwortlichkeit", wie Sie das in Ihrem Antrag nennen. Funktionen, die mit Personalverantwortlichkeit verbunden sind, müssen öffentlich aus


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