Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 19

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Diese Dringliche Anfrage ist inzwischen allen Abgeordneten zugegangen, es erübrigt sich daher die Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Verfilzung von Politik und Wirtschaft ist derzeit "das Thema" in Österreich.

Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Verkauf der Bundesanteile der CA an die Bank Austria und noch mehr der tragische Tod des Kontrollbank-Vorstandsdirektors Gerhard Praschak haben offengelegt, wie sehr die herrschende politische Klasse den großen Bereich der staatsnahen Wirtschaft dominiert und als ihr Eigentum begreift. Der Nachlaß Praschaks legte die Realverfassung Österreichs wieder einmal klar, die von Proporz und Postenschacher gekennzeichnet ist. Die im internationalen Vergleich einzigartige Aufteilung Österreichs in einen SPÖ-dominierten und ÖVP-dominierten Bereich ist allen interessierten Beobachtern der österreichischen politischen Landschaft seit langem wohlbekannt; sie wurde immer wieder von ihren Nutznießern als gleichsam sakrosankt, gottgewollt und unabänderlich verteidigt.

Die Absicherung der Proporzherrschaft erfordert natürlich, daß die Handlanger der Mächtigen entsprechend belohnt werden müssen. Damit ist der Weg in die Republik der Sekretäre frei. In einem hemmungslosen Postenschacher wird der Dienst im Vorzimmer der Macht mit lukrativen Posten in allen Bereichen belohnt, die unter Einfluß der Proporzparteien stehen.

Die Nachteile dieser Art der Herrschaftsausübung durch SPÖ und ÖVP, die sich logischerweise mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen jegliche Veränderungen sträuben, sind durch die jüngsten dramatischen Ereignisse offenkundig geworden: Konservierung längst überholter Strukturen und damit leichtfertiges Verschenken der Chancen Österreichs und massiver Anpassungsdruck gegenüber den Bürgern.

Der frühere Verstaatlichten-Manager Klaus Woltron, ein Insider des Systems, schreibt dazu: "Ein Wimpernzucken eines Parteivorsitzenden, der Wink eines Generalsekretärs genügt, um einen Funktionär wissen zu lassen, was er zu tun hat. Dazu braucht es keine großen Worte."

Durch den Nachlaß des OeKB-Vorstandsdirektors Gerhard Praschak aufgeschreckt, der ein besonders übles Beispiel eines Postenschachers zugunsten des abgehalfterten Ministers Rudolf Scholten beleuchtet, versucht nun Bundeskanzler Viktor Klima mit einem sensationellen 5-Punkte-Programm die Flucht nach vorne anzutreten. (Beim früheren Bundeskanzler Bruno Kreisky waren es noch 10 Punkte.) Dieses Scheinprogramm gegen den Postenschacher enthält Punkte wie die verpflichtende Ausschreibung von Führungsfunktionen in staatsnahen Unternehmen, die ohnedies bereits gesetzlich geregelt sind, und andere, wie die Forderung nach Festlegung marktgerechter Bezüge, die eigentlich in jedem anderen als einem realsozialistischen System selbstverständlich sein sollten.

Ins Bild paßt, daß Bundeskanzler Viktor Klima in einem Schreiben an die Mitglieder der SPÖ um Unterstützung bei der Umsetzung des 5-Punkte-Programms wirbt. Offenbar kennt er die Begehrlichkeiten in den Führungsschichten seiner Partei.

Ein langjähriger journalistischer Beobachter der österreichischen Realverfassung, der frühere APA Chefredakteur Josef A. Nowak schreibt unter dem Titel "Hier gehört ein System beseitigt": "Die SPÖ glaubt, nach dem Fall Praschak mit einem Fünf-Punkte-Programm die Last von sich gewälzt zu haben. Aber es geht nicht nur um eine bloße Begrenzung politischer Einflußnahme, Absage an Postenschacher und Freunderlwirtschaft. (...)

Hier geht es – mit Verlaub, Herr Bundeskanzler – nicht darum, ein System zu "reparieren". Hier gehört ein System, das permanente Abhängigkeiten erzeugt und Erpressungen Tür und Tor öffnet, schlicht und einfach abgeschafft. Und zwar ersatzlos. Soll heißen: Hier ist nicht Begrenzung, sondern Beendigung der politischen Einflußnahme auf Postenbesetzungen außerhalb der Politik angesagt. ..."


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