Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 26

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päischen Zentralcomputer in Den Haag eingespeichert werden sollen, sogar von Kontakt- und Begleitpersonen sowie von potentiellen Opfern?

Wir halten das für unerträglich! Wir halten es auch für unerträglich, daß es bisher in Österreich keine seriöse Diskussion darüber und keine seriöse Information der Öffentlichkeit gegeben hat. Wir diagnostizieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Sicherheitspolitik in diesem Land offensichtlich auf einem völlig falschen Weg ist.

Bei allen großen politischen Kriminalfällen der letzten Jahre – von "Lucona" über "Noricum" bis hin zu den Kurden-Morden und Briefbomben – gibt es entweder Pannenserie auf Pannenserie, oder es werden seitens der Behörden die Augen fest geschlossen und Glacéhandschuhe angezogen. Terroristen werden per Eskortservice zum Flughafen geleitet, und im Zusammenhang mit den Briefbomben wird wochenlang mit notwendigen Einvernahmen zugewartet. – Dagegen werden bei jedem kleinen Ladendieb sofort Verhörmaßnahmen ergriffen und Einvernahmen angesetzt.

Statt die notwendigen Reformmaßnahmen für mehr Sicherheit und mehr Bürgerrechte zu realisieren – ich habe sie skizziert: Reformmaßnahmen im Bereich der Polizeiausbildung, Reformmaßnahmen im Bereich der Staatspolizei, Reformmaßnahmen im Bereich der Anonymität –, setzt die Regierung auf den Abbau der Grundrechte durch Lauschangriff, Rasterfahndung und Europol-Datenbank, der nicht mehr Sicherheit, sondern bedeutend mehr Verunsicherung für den österreichischen Bürger zu bringen droht. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

9.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema hat sich der Herr Justizminister gemeldet. Die Redezeit soll gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

9.38

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Justiz war, wie Sie wissen, nie ein Vorreiter oder Bannerträger von Ermittlungsmethoden wie Lauschangriff und Rasterfahndung. Ich habe von Beginn an auf den schwerwiegenden Charakter der damit verbundenen Grundrechtseingriffe hingewiesen und bin deshalb für restriktive Lösungen, für eine angemessene Rechtskontrolle und für eine besonders gründliche Gesetzesvorbereitung eingetreten.

Andererseits können wir aber auch nicht daran vorbeisehen, daß neue, grenzüberschreitend und organisiert auftretende Formen der Kriminalität in Europa dazu geführt haben, daß heute in den meisten Nachbarstaaten und in anderen vergleichbaren Ländern polizeiliche Ermittlungsmethoden solcher Art bereits Anwendung finden oder deren Einführung konkret diskutiert wird. Es ist daher verständlich, daß auch die österreichischen Sicherheitsbehörden ein vergleichbares Ermittlungsinstrumentarium fordern.

Wir haben uns bei der Gesetzesvorbereitung um Ausgewogenheit zwischen einer Verbesserung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsinstrumente und einer gleichzeitigen Eingrenzung der damit verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre und in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen bemüht.

Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde bietet nicht ausreichend Zeit, um auf die Einzelheiten der zur Diskussion stehenden Regelungen einzugehen, sodaß ich nur einige wenige Bemerkungen dazu machen kann.

In der in den letzten Tagen mitunter heftig geführten öffentlichen Debatte zum Thema automationsunterstützter Datenabgleich scheint aus dem Blickfeld geraten zu sein, daß die Frage der Einbeziehung privater Datensammlungen von Anfang an im Ministerialentwurf, bei der öffentlichen Enquete von Innen- und Justizressort und bei den Gesprächen im Datenschutzrat mit ein Diskussionsgegenstand war.


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