Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 216

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aber doch in einigen Punkten – zwischen dem "Bertelsmann", dem "Duden" beziehungsweise sonstigen Werken gibt, die im Umlauf sind und die die neue Rechtschreibung interpretieren. – Diese Frage wird uns noch einige Zeit beschäftigen!

Ich halte verschiedene Regeln für falsch. Ich will sie jetzt nicht interpretieren, aber ich könnte Kollegin Rossmann damit schockieren, daß ich sowohl den "Heiligen Vater" als auch den "Stillen Ozean" klein schreiben würde. Das war ursprünglich auch intendiert mit dieser Rechtschreibreform, doch das besonders Problematische an dieser Reform ist ja die Tatsache, daß Österreich und die Schweiz durchaus mit der gemäßigten Kleinschreibung in diese Reform gegangen sind, aber wie so oft haben sich Österreich und die Schweiz von der großen Bundesrepublik Deutschland, nachdem diese die DDR, die auch die gemäßigte Kleinschreibung vertrat, inhaliert hatte, über den Tisch ziehen lassen.

Was dabei herausgekommen ist, ist meiner Ansicht nach wirklich schwer verständlich. Es kam nämlich zu einer Erweiterung der Großschreibung und zu einigen anderen Regeln. Somit – und das ist das Problem – stellt diese Rechtschreibreform leider keinen Fortschritt dar, sondern sie ist in Anbetracht der Debatte, die vor zehn Jahren begonnen wurde, eigentlich ein absurdes Resultat. (Abg. Schaffenrath: Würdest du "Vater" auch klein schreiben?)

Es ist richtig, Frau Ministerin, daß Wissenschafter sehr lange darüber diskutiert haben, aber eigentlich in eine ganz andere Richtung. Erst aufgrund des politischen Kompromisses, den man offensichtlich wollte, weil sich niemand vorstellen konnte oder wollte, daß man gegen die Bundesrepublik Deutschland entscheidet, ist dann etwas herausgekommen, was die kleinen Länder nicht gewollt haben, was auch in Deutschland einige Bundesländer nicht wollten, aber dann haben sich halt die Bayern, die ganz Konservativen, am besten durchgesetzt und eine Rechtschreibreform durchgedrückt, die niemanden befriedigen kann. (Abg. Dr. Niederwieser: Schreibt man die "Grünen" groß oder klein?!) Das ist ein Problem, mit dem wir jetzt fertig werden müssen!

Ich sehe keinen anderen Ausweg, als die Regeln der alten Rechtschreibung genauso gelten zu lassen wie die der neuen. Vielleicht könnte man in der einen oder anderen Frage sogar noch weiter denken und sich die Frage stellen: Welche Rechtschreibregeln sind im Unterricht – und nur über diesen reden wir – überhaupt noch so zu bewerten, wie sie derzeit leider immer noch oft bewertet werden? Das wäre eine interessante Frage, die sich das Parlament bei einer Debatte über die Rechtschreibreform auch stellen könnte.

Diskussionen darüber, ob man das scharfe S wegfallen lassen oder das Doppel-s beibehalten soll, halte ich jedoch für überflüssig. Die Schweizer sind etwa in der Frage des scharfen S schon einen Schritt weitergegangen. Denn das scharfe S gibt es in der Schweizer Rechtschreibung überhaupt nicht mehr. Sie haben sich auch nichts darum gepfiffen, daß die Rechtschreibreformkommission und der Vertrag zwischen den Ländern das ohnehin vorsieht. Sie haben schon vor Jahren das scharfe S abgeschafft. Nur die Österreicher halten sich halt wie immer sklavisch an das, was sie vereinbart haben. (Abg. Schaffenrath: Dabei geht es um die österreichische Identität!) Sie halten sich an eine Reform, die leider nicht so ernst zu nehmen ist, wie sie ernstgenommen wird, und haben das scharfe S nach wie vor im Programm. Das ist natürlich teilweise Schülerquälerei. Das scharfe S gehört eliminiert! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) – Aber das ist eigentlich alles, was man dazu sagen kann.

Alle anderen Fragen sind natürlich spannend: Inwieweit kann zum Beispiel das Urheberrecht tangiert werden? Wie kann diese Reform überhaupt in die staatliche Verwaltung Eingang finden? Da geht es um eine Reihe von Fragen, die nicht unspannend zu diskutieren wären! Aber ich möchte nicht, daß wir die Regeln der Rechtschreibung als solche hier im Parlament diskutieren beziehungsweise einfordern, daß der Unterrichtsausschuß oder wer auch immer hier darüber befinden soll. Das würde ich mir nicht wünschen, obwohl ich – zugegeben, Kollege Schweitzer – mit dir viele Argumente gegen diese Rechtschreibreform teile. Aber das Problem mit den Kindern und Jugendlichen können wir nicht eliminieren.


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