Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 53

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krisenmanagementartigen Maßnahmen werden wir jedenfalls der drohenden Gefahr der Jugendarbeitslosigkeit nicht begegnen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.18

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Die sozialdemokratische Fraktion hat – fast möchte ich sagen: wie das eine Regierungsfraktion natürlich tut – bei der Auswahl ihres Themas einer Aktuellen Stunde nach einem Bereich gesucht, wo ihrer Meinung nach das eigene Regierungsmitglied glänzen kann, wo man auf Erfolge verweisen kann.

Natürlich ist es auch positiv, wenn zumindest einmal die politische Aufmerksamkeit auf den Bereich der Lehrlinge und Lehrlingsausbildung gefallen ist. Aber gleichzeitig nehmen Sie damit auch wesentliche negative Erscheinungen in Kauf. Allein dadurch, daß Sie dieses Thema jetzt als politische Hauptaufgabe, als politisches Hauptaugenmerk bezeichnen, grenzen sie wiederum andere aus.

Sie operieren mit einem verengten Jugendbegriff. Meine Vorrednerin hat schon darauf hingewiesen: Was ist mit den AbsolventInnen der AHS? Was ist mit den jungen Leuten nach einer Hochschulausbildung, die vor dem Nichts stehen? Verdienen sie nicht dieselbe Aufmerksamkeit dieser Bundesregierung? Was ist vor allem mit jungen Frauen, die durch die Sparpakete, einer konservativen Ideologie folgend, wieder an den Herd gedrängt werden sollen? Sie wissen, es gibt keine Kinderbetreuungsmöglichkeiten in ausreichender Zahl und Qualität.

Was ist mit den behinderten Menschen? Selbst wenn sie – was ohnehin selten genug ist – eine Ausbildung bekommen, was passiert nachher mit ihnen, wenn sich die Betriebe, ja sogar die öffentlichen Dienststellen von ihrer Verpflichtung freikaufen, behinderte Menschen einzustellen? Was ist dann mit all diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?

Was passiert im Bereich der Ausbildung selbst? Es wurde darauf hingewiesen, daß die Hauptschule dazu tendiert, zu einer Restschule, einer Restgröße zu werden. Warum machen Sie dann nicht den einzig angebrachten mutigen politischen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Schule aller 10- bis 15jährigen? Wo bleibt denn da der politische Mut? Ist es nicht so, daß man das auch einmal zur Koalititonsfrage machen könnte, daß man es nicht schon längst dazu hätte machen müssen? (Beifall bei den Grünen.) Ich frage Sie von der Sozialdemokratie: Wo bleibt denn da die politische Courage? Das wäre doch notwendig!

Wenn es so ist, daß die Schule dem Leben dienen soll, dann meine ich, daß sich gerade besondere Talente nur in der sozialen Gemeinschaft bewähren können. Es ist ein wichtiges Segment, den Lehrstellenmarkt herauszugreifen, aber ich sage Ihnen, Sie laufen Gefahr, all die anderen Bereiche der Ausbildung und der Berufskarriere aus den Augen zu verlieren.

Noch ein wichtiger Punkt: Menschen und gerade auch junge Menschen planen doch für ihr Leben. Was soll ich aber heute einem jungen Menschen – sei es jetzt ein Lehrling, eine AHS-Absolventin, eine Studentin oder eine Hochschulabgängerin – sagen? Wir alle wissen doch, was dann auf dem Arbeitsmarkt los ist: Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und keine Förderungen mehr für den Umstieg von – es ist fast zynisch zu sagen – "älteren" Arbeitnehmerinnen ab 35. Offenbar zählt man für diese Bundesregierung ab diesem Alter schon zum alten Eisen. Was ist denn dann mit den jungen Leuten? Wohin sollen sie denn gehen?

Die Bundesregierung hat ja keine Antwort. Es wird Druck gemacht, damit die Leute nicht in Frühpension gehen, weil es nicht mehr finanzierbar ist. Aber wo sollen die jungen Leute unterkommen? Was ist dann in der Mitte ihres Lebens? Wo liegt ihre Perspektive? Ich vermisse eine wirkliche Anstrengung, einen quantifizierbaren Vorstoß der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften in Richtung Arbeitszeitverkürzung.


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