Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 40

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sie sich bemüht, dieser Opposition ihren Platz zu geben und sie sozusagen in der Hand zu haben, und wie sehr sie dieses Modell auf die Kunst zu projizieren verstand.

Sichtbar wurde aber auch, wie einseitig dieser Kunstbegriff in der heutigen Zeit der neuen Unübersichtlichkeit geworden ist, wie sehr er den Blick auf das Ganze verloren hat und wie strukturkonservativ er ist. Sichtbar wurde auch, daß das von den Künstlern beklagte, entmündigende Element in der Konzeption vorausgesehen und bejaht ist. Kulturpolitik, so Fred Sinowatz, als sinnvolle Fortsetzung der Sozialpolitik.

Tatsächlich ist aus Rolligs Bericht und aus dem selbstgesetzten Anspruch, dem Künstler, der Ideen bringt, in entsprechender Atmosphäre Geld, Rat und Zuspruch zu geben, das Sozialarbeiterische ihrer Tätigkeit sichtbar geworden. Dabei entstehen – so Stella Rollig in einer, wie ich meine, zutreffenden Analyse – letztlich klebrige Abhängigkeitsverhältnisse – das ist das, wovon auch Klara Motter geredet hat – zu den Politikern und den Beamten; deswegen gibt es auch all diese Modelle mit einer Stiftung und so weiter und so fort, ich möchte mich damit nicht länger aufhalten.

Ich möchte jetzt zu den Schlüssen daraus kommen. Ich setze als bekannt voraus, daß in Österreich 15 Milliarden Schilling von den Ländern, Gemeinden, Städten und vom Bund für die Kulturförderung im engeren Sinne ausgegeben werden. Das ist viel! Und ich setze als bekannt voraus, daß in etwa 10 Prozent der zeitgenössischen, jetzt funktionierenden, jetzt erarbeiteten Kunst verbleiben – Zitat Wimmer, ÖKS.

Ich möchte Sie darüber informieren, daß unser Leistungsbilanzdefizit im Bereich der Kultur trotz der hohen Investitionen in diesem Bereich – Einkommen, Ausgaben – 6,7 Milliarden Schilling beträgt, konstant die letzten Jahre, mit einem leichten Anstieg nach oben. Wir sind also im Bereich der Kultur ein Importland! Wir importieren Patente, Lizenzen, Autorenrechte, bildende Kunst, Film, Musik, Hörfunk, TV-Programme, Literatur, Zeitungen, Zeitschriften in einem wesentlich größeren Ausmaß, als wir sie exportieren. Und wenn mir ein ernstzunehmender, extrem informierter und kulturell avancierter Vertreter Österreichs in New York sagt, das Image dieses Landes auf dem kulturellen Sektor wäre noch immer am besten vermittelbar mit "Sound of Music", dann muß es für einen Künstler, der ich bin, erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob das, was hier produziert wird, ob die Ideen der Produzenten des Identitätstransfers, des Imagetransfers, des Ideentransfers, des Phantasietransfers, des Selbstbehauptungstransfers, des Innovationstransfers – nennen Sie es, wie Sie wollen –, ob dieses Potential auch genützt wird oder ob unser Förderungssystem, dokumentiert in unserem Kunstbericht, den wir heute diskutieren, mehr die wohlerworbenen Rechte verteidigt anstelle der Produktion von Kunst oder ihrer Vermittlung. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Krüger. )

Zitat Scholten: "Kunstpolitik" – sagt Scholten in diesem Kunstbericht – "neigt dazu, Institutionen zu perpetuieren." Peter Weibel über die Kuratoren: "Die Hälfte der Subventionen geht in der Verwaltung auf." – Ich erinnere nur an die Bundestheater-Fixkosten von um die 85 bis 87 Prozent. Michael Scharang: "Die Interessenvertreter sind den Schriftstellern nicht nur zahlenmäßig, sondern auch stilistisch überlegen." Weiteres Zitat: "Die Zahl der Gschaftlhuber, der literarischen Vereinigungen, Interessenvertreter und – ein wahrer Skandal! – der Verlage, die sich aus dem Literaturbudget nähren, steigt unaufhaltsam, und alle diese Abstauber stützen einander als natürliche Verbündete, und ihr objektiver Feind ist der Schriftsteller." – Soweit Michael Scharang.

Weiter: "Prüft man das Ergebnis der Literaturförderung, wird man verblüfft vor einer beträchtlichen Anzahl herausragender literarischer Werke stehen." – So Michael Scharang. Und Michael Scharang weiter: "Prüft man hingegen das Ergebnis jenes wuchernden Betriebs, steht man vor dem Nichts." – Jetzt können Sie Michael Scharang alles mögliche unterstellen, aber er ist sicher kein ÖVP-Sympathisant, und er ist ganz sicher kein F-Sympathisant; er sagt als Künstler seine Meinung, und ich meine, man sollte darüber einmal nachdenken. (Beifall bei der ÖVP.)

Was heißt das? – Sowohl Künstler als auch der ehemalige Verkehrsminister sagen, die Künstler in diesem Land sind überverwaltet, aber unterorganisiert. Ein gutes Beispiel hiefür bietet mir


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