Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 141

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konkreten Berufen es das geben soll, ob eine volle berufsschulbegleitende Ausbildung erfolgen soll, wie die Bezahlung ausschauen soll. Man nennt nur das Schlagwort "Teillehre" und glaubt, damit die Probleme zu lösen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Volkspartei! Wenn Sie Vorschläge haben, dann nennen Sie entsprechende Konzepte, von denen wir meinen, daß es sich auszahlt, darüber miteinander zu reden. Sie aber beschränken sich auf Schlagworte und sind dann vielleicht beleidigt, wenn man meint, daß das keine Diskussionsgrundlage ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Welche Vorschläge haben Sie?)

Ich glaube, daß die drei Anträge des Liberalen Forums, die derzeit zur Diskussion stehen, nämlich die Probezeit von zwei auf drei Monate zu verlängern, die Behaltezeit von vier auf zwei Monate zu verkürzen und das zweimalige Wiederholen einer Berufsschulklasse als Auflösungsgrund im Gesetz festzuschreiben, es wirklich wert sind, ein bißchen analysiert zu werden.

Ich möchte dies ganz seriös tun und mit dem dritten Punkt beginnen, der ja, wie wir gehört haben, auch nicht die Zustimmung der Volkspartei findet. Dieses Thema hat mich neugierig gemacht, und ich habe heute vormittag noch mit einigen Berufsschuldirektoren diese Frage telefonisch erörtert. Der erste Direktor einer Elektrotechnikerberufsschule hat mir beispielsweise gesagt: Seit 1956 ist er im Berufsschuldienst, und es hat bei 15 000 Schülern, die er schulisch begleiten durfte, nur einen einzigen Fall gegeben, daß ein Schüler tatsächlich zweimal eine erste Klasse besucht hat. Ansonsten hilft Förderunterricht, helfen Beratungslehrer, um zeitgerecht dafür zu sorgen, daß das Lehrziel bestmöglich zu erreichen ist.

Ein zweiter Berufsschuldirektor einer Metallarbeiterberufsschule mit Elektromechanikern hat mir gesagt, daß er überhaupt noch nie einen solchen Fall gehabt hat.

Dann bin ich allerdings bei einem dritten Direktor fündig geworden, der mir gesagt hat, daß das tatsächlich vorkommt. Er hat einen Fall unter 500 gehabt. Herr Abgeordneter Peter! Dieser eine Fall ist genau das Gegenbeispiel zu dem, was Sie gesagt haben. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß es keinen Sinn hat, jemanden auf einen Beruf festzunageln. Aber dieser eine, den mir der Direktor nannte, lernte Schlosser, ein Beruf, der eher handwerklich orientiert ist. Er hat tatsächlich zweimal die erste Klasse wiederholt. Er hat natürlich mit der zweiten Klasse die Schulpflicht beendet, ist trotzdem zur Lehrabschlußprüfung angetreten und hat sie bestanden. Das ist ein Beispiel dafür, daß es manchmal auch junge Menschen in Ihrem Sinne geben kann, die Motivation und viel Geduld brauchen, bei denen es dann aber doch geht.

Ich sage zu diesem Punkt abschließend: Wir haben den Bedarf nicht erkennen können. Aber ich gebe zu, daß es vielleicht Berufsbereiche gibt, wo das anders ist. In den Bereichen, in denen wir nachgefragt haben, ist genau das Gegenteil der Fall. Ich glaube also, daß dort, wo der Ausbildungserfolg nicht zu erwarten ist, eine vorzeitige Auflösung erfolgen soll, entweder in der Probezeit oder später. Daher sind meiner Meinung nach Gesetzesänderungen nicht unbedingt notwendig und derzeit sicherlich entbehrlich. Jedes fünfte Lehrverhältnis wird vorzeitig gelöst, die Zahlen kennen Sie bestimmt. Das ist, wenn es notwendig ist, möglich. Der Begriff "Pragmatisierung des Lehrlings" ist natürlich ein idealer Begriff, den man medial schön präsentieren kann, die Zahlen drücken aber eigentlich genau das Gegenteil aus.

Herr Abgeordneter Peter! Ich habe nicht die Erfahrung im Bereich der Lehrlingsausbildung, die Sie haben. 25 Jahre kann ich nicht anbieten, aber ich kann schöne sieben Jahre anbieten, in denen ich persönlich beruflich in der Berufsausbildungsberatung und im Lehrlingsjugendschutz tätig war, und ich habe mich immer mit den Problemen, die es gegeben hat, auseinandergesetzt, wenn etwa Lehrlinge gekommen sind und gesagt haben: Der Chef will mit mir nicht mehr. Ich habe dafür gesorgt, daß man sich im Betrieb zusammengesetzt und gemeinsam eine vernünftige, für beide Seiten zumutbare Lösung gefunden hat. Manchmal habe ich einem Lehrling vorgeschlagen, anderswo weiter zu lernen, manchmal hat man sich auch geeinigt, es noch ein paar Monate zu probieren, und oft hat das dann auch funktioniert. Ich meine, wir sollten diese Probleme auch künftig in diesem Sinne lösen.

In Oberösterreich beträgt die entsprechende Auflösungsquote 9 Prozent. Bei diesen neun Prozent halten einander einvernehmliche Auflösungen, solche, die durch den Betrieb erfolgt


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