Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 88. Sitzung / Seite 68

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Worüber kann man noch in dieser Situation heute reden? – Man kann darüber reden, wie diese Ermittlungen auch politisch forciert werden können. Man kann darüber reden, wer Interesse daran hat, daß dieser Terrorfall derzeit von manchen auf einen Kriminalfall reduziert, die politische Dimension, das politische Umfeld negiert wird und der Terrorfall von der Innenpolitik in die Chronikspalten wandert. Das ist kein Zufall, wie ich glaube. Man kann aber auch darüber reden, wer derzeit politisches Kleingeld aus diesem Terrorfall, aus dieser Terrorserie schlägt. Ich erinnere nur an die völlig geschmacklose – mehr fällt mir dazu nicht ein – Aussendung des Herrn Westenthaler vom Sonntag, die für sich spricht und wo ich gar nichts mehr qualifizieren möchte. (Abg. Dr. Graf: Vier Jahre lang haben wir politisches Kleingeld gemacht!) Das ist jenseits von Gut und Böse.

Man kann auch darüber reden, wie dieses politische Klima zustande gekommen ist, in dem Terrorismus leichter entstehen kann, wie das geistige Umfeld von Terroristen entstanden ist. (Abg. Mag. Stadler: Wer übernimmt dann die Rolle des moralischen Gewissens?) Wir sollen auch darüber reden, Herr Kollege Stadler – und das werden wir auch tun (Abg. Mag. Stadler: Ihr pastoraler Tonfall wird mir fehlen!)  –, welche konkreten Ziele die BBA eigentlich verfolgt hat, wohin sie Österreich bomben wollte. Stichwort: drohende Fremdeninvasion, Stichwort und wörtliches Zitat ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Reden wir doch über die Haßtiraden der Grünen den Freiheitlichen gegenüber!) Frau Kollegin Pablé! Wissen Sie, Ihre Aggressivität demaskiert Sie ganz einfach in dieser Debatte. Das ist so klar und deutlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Reden wir doch darüber, in welchem geistigen und politischen Umfeld ein Zitat aus den Bekennerbriefen steht – ich zitiere es Ihnen wörtlich –: In diesem Land, schreiben die Briefbombenattentäter, sind Personen willkommen, die aussehen wie wir, die reden wie wir, die beten wie wir. – Und reden wir auch darüber, welche Partei es ist, die in diesem Land polarisiert, die emotionalisiert, die versucht, politisches Kleingeld mit potentiellen Sündenböcken zu machen. (Abg. Dr. Graf: Das sind die Grünen! – Abg. Mag. Stadler: Gut charakterisiert!) Schauen wir uns doch an, welche politische Partei es ist, die bereits in zwei Bundesländern gefordert hat, daß an Firmen, die Ausländer beschäftigen, keine öffentlichen Aufträge mehr vergeben werden sollen. Und reden wir darüber, welche Partei es ist, die im letzten Wahlkampf in Oberösterreich unter anderem folgendes Zitat verwendet hat: 88,5 Prozent aller schweren Verbrechen werden in Oberösterreich von Ausländern begangen. – Jeder in Oberösterreich, jeder Exekutivbeamte, jeder Experte weiß, daß das eine Unwahrheit ist, und trotzdem wird gezielt mit derartigen Desinformationen, mit Panikmache agiert.

Reden wir darüber, welche Auswirkungen eine derart verantwortungslose Politik mit sich bringt. Reden wir auch darüber, daß sich im Vorfeld der Wahlen vom letzten Sonntag vier Parteien in dieser Frage absolut seriös und anständig verhalten haben – für mich war es sehr interessant und positiv, daß auch die Österreichische Volkspartei sehr klare Worte in dieser Frage gefunden hat – und die eine Partei, die trotzdem versucht hat, mit der politischen Keule zu agieren, auch in der Ausländerfrage, auch in der Migrationsfrage, keinen Erfolg hatte und 8 Prozent hinter ihrem Ergebnis der Europawahlen geblieben ist. (Abg. Dr. Krüger: Wir haben aber mehr Prozent gewonnen als die Grünen!) Reden wir auch darüber, daß man in diesem Österreich wieder politischen Erfolg haben kann mit Solidarität, mit Integration und mit einer positiven Politik in Richtung Dialog! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Innenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, nach den ersten Ermittlungserfolgen ist es jetzt in diesem Land die wichtigste Aufgabe, in einer seriösen politischen Kultur, also nicht im Stil dieser Debatte des heutigen Tages, dafür zu sorgen, daß erstens die Suche nach politischen Mittätern und den Mittätern des Terroristen vorangetrieben wird und daß zweitens über das geistige Umfeld, über das politische Klima, das Terror ermutigt hat, das Terror gefördert hat, das Terror auch mitverursacht hat, klar und deutlich geredet wird, damit sich im politischen Klima in Österreich in Zukunft etwas zum Positiven verändert. – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.10


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