Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 88. Sitzung / Seite 73

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Scheibner! Es ist unbestreitbar, daß die Praxis in der Erteilung von Ordnungsrufen etwas großzügiger geworden ist. Sie haben in Ihrer Rede an zwei Abgeordnete in diesem Haus den Vorwurf der Scheinheiligkeit gerichtet, und es gab Zeiten ... (Abg. Dr. Krüger: Der Wahrheitsbeweis ist aber eindeutig angetreten worden!)

Herr Dr. Krüger! Lassen Sie mich ausreden. Es gab Zeiten, zu denen diese Ausdrucksweise in diesem Haus mit Ordnungsrufen geahndet wurde. Schließen Sie aus der Tatsache, daß ich Ihnen keinen Ordnungsruf erteile, nicht eine Ermunterung, im Gebrauch dieses Vorwurfes fortzufahren. Es wäre vielmehr gut, wenn wir dieses Wort in den Debatten nicht verwenden würden. Einverstanden, Herr Dr. Krüger? – Gut.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) 25 Briefbomben, drei Rohrbomben, vier Tote, zahlreiche Schwerverletzte, zahlreiche Leichtverletzte – das ist die unerfreuliche Bilanz und das unerfreuliche Ergebnis dieser Geschehnisse der vergangenen – fast – vier Jahre.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Glauben Sie mir, kaum jemand hat so aufgeatmet wie ich, als in den Medien bekannt wurde, daß Herr Franz F. als mutmaßlicher Täter oder Mittäter des größten Terroraktes, der größten Terrorserie der Zweiten Republik gefaßt worden ist. Wie der Herr Bundesminister uns heute berichtet hat, verdichten sich inzwischen die Beweise gegen ihn und für seine mögliche Täterschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es werden aber die Betroffenen der 25 Briefbomben und die Betroffenen der drei Rohrbombenattentate, vor allem auch ihre Angehörigen und Familienmitglieder, erst dann wirklich aufatmen, wenn schwarz auf weiß belegt wird und festgestellt werden kann, daß es sich tatsächlich – wie heute gemutmaßt worden ist – um einen Einzeltäter gehandelt hat und daß nicht doch eine Gruppe hinter diesem größten Terrorakt steht, mag sie auch noch so klein gewesen sein – was ich aber nicht unbedingt glaube.

An einem Tag wie heute, an dem der Herr Bundesminister uns Informationen über den Ermittlungsstand gegeben und in seiner Erklärung einige meiner Ansicht nach sehr beachtliche Feststellungen getroffen hat – so die Feststellung betreffend den Empfänger- und Adressatenkreis dieser Bomben, die Feststellung dazu, wer diese Menschen sind –, ist hier eindeutig der Platz, folgendes festzustellen: Diese zahlreichen Aktivistinnen und Aktivisten, die ich jetzt unter dem Begriff "Menschenrechtsbewegung" zusammenfassen möchte – das halte ich für zulässig, auch im Sinne Ihrer Charakterisierung, und dazu gehören sowohl die Angehörigen der Volksgruppen als auch Priester, Politiker und Politikerinnen, Ärzte, Flüchtlingshelfer oder Ausländerbetreuer –, haben alle in den letzten vier Jahren etwas an den Tag gelegt, was mir als Politikerin größte Hochachtung abringt.

Ich spreche dabei von dem Willen, sich nicht vom Bombenterror einschüchtern zu lassen, nicht in der Arbeit innezuhalten, nicht klein beizugeben und nicht zu sagen: Ich muß mich zurückziehen und meine Arbeit einstellen, weil die Gefahr für mich und meine Familie zu groß ist. Das ist es, was – neben der erfreulichen Mitarbeit der österreichischen Bevölkerung bei der jetzt möglichen Aufklärung – eine beachtenswerte Leistung darstellt.

Das gilt auch für die bis dahin erfolglosen Ermittler. Ich weiß aber, wieviel, wie lange und wie intensiv die Ermittler gearbeitet haben, da ich genug mit ihnen zu tun hatte. Daß sie nicht den entsprechenden Erfolg hatten, liegt nicht in der Verantwortung jedes einzelnen, sondern – wie ich sagen möchte – in der Verantwortung einzelner. Aber dieses Sich-nicht-einschüchtern-Lassen, dieses Weitermachen veranlaßt mich, einige Schlußfolgerungen zu ziehen.


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